»Es ist gegen die Natur, aber in der Natur«, heißt es bei Goethe, bezogen auf die homosexuelle Prägung. Die Definition mag man fragwürdig finden, allein, bezöge man sie auf Pädophilie, läge darin tiefe Einsicht. Das Pendant zu »Kopfplatzen« wäre Herzrasen. Markus fühlt sich zu Jungen hingezogen, findet sie erotisch, attraktiv, erregend. Als er dies seinem Hausarzt gesteht, setzt der ihn vor die Tür. Lässt ihn allein mit einem Begehren, dem er nicht nachgeben will, für das er sich hasst, das er bekämpft, aber das stärker ist als sein Wille. Und als Selbstekel und Scham. Der Psychotherapeut sagt ihm, dass er für seine Neigung nicht, wohl aber für seine Handlungen verantwortlich sei und es Heilung nicht gebe. Nur Ausweichen und Vermeiden dem mit Haut und Haar Verfallen-Sein.
Markus steht am Fenster und sieht Kindern beim Spielen zu, folgt ihnen aus dem Bus heraus, beobachtet sie beim Duschen, fotografiert sie im Schwimmbad, zögert den Moment heraus, bevor er den Blick abwenden muss, damit es nicht auffällt, masturbiert im Internet und vor Fotos, für die er sich eigens ein Entwicklungslabor eingerichtet hat, bricht den Kontakt zu Chatrooms ab, deren Vulgarität ihn abstößt. Als die alleinerziehende Jessica mit ihrem Sohn Arthur bei ihm im Haus einzieht, entwickelt sich zwischen den Dreien Freundschaft und Vertrauen und zwischen Markus und Arthurs Mutter eine Affäre. Doch sein Geheimnis bleibt nicht unentdeckt. Er fällt aus allen Bindungen. Löscht alles aus, was ihm gefährlich werden könnte. Er macht Ordnung – äußerlich.
Das Debüt von Savaº Ceviz ist eine stille, beklemmende Studie über jemanden, der seine Unschuld verloren hat, ohne – noch – schuldig geworden zu sein. Immer wieder besucht Markus einen Wolf im Gehege, tritt mit dem Tier hinter Gittern in Augenkontakt, sucht den Blick und hält ihm stand. Einmal fletscht der Wolf die Zähne und knurrt ihn an. Einmal heult er – es klingt wie ein Notruf. Max Riemelt meistert großartig diese Rolle und einen verzweifelten Monolog, der nicht weniger erschütternd ist als der von Peter Lorre in »M«. Aber anders als bei Fritz Lang hat hier die Kriminalpolizei keinen Auftritt. Markus bleibt allein mit sich und mit einer Handvoll Tabletten.
„Kopfplatzen“ ist online im sogenannten „Salzgeber Club“ zu sehen, der immer donnerstags Filme auf den heimischen Bildschirm bringt, die es noch nicht als DVD oder BluRay gibt. Digital sind sie auf salzgeber.de vier Wochen lang abrufbar, über einen integrierten Vimeo-Player und gegen eine Gebühr von 4,90 Euro.