Die industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet ist weltweit einmalig – seit Jahrzehnten wird dafür gestritten, dass sie Weltkulturerbe wird. Die Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur hat nun, im Auftrag des RVR und der Landschaftsverbände, diese Bewerbung – nach 2014 zum zweiten Mal – auf den Weg gebracht. Aber es gibt Widerstand von den Städten Bochum, Essen und Gelsenkirchen sowie einigen Sprechern der Industrie. Befürchtet werden Einschränkungen kommunaler Handlungsmöglichkeiten, vor allem bei Gewerbeflächen, wiewohl nur drei Prozent der Fläche des RVR betroffen sind. Dabei gibt es seit langem fundierte Gründe, wie Christoph Zöpel, der als Minister für Stadtentwicklung 1998 Initiator der IBA-Emscher Park war, schreibt. Eine Einordnung.
Die Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur beschreibt das Ruhrgebiet als industrielle Kulturlandschaft so: Sie ist ein geografisch gegebener Raum, unter dem sich geologisch Steinkohle befindet. Er wiederum ist strukturiert durch drei Nebenflüsse des Rheins, die den Transport der Steinkohle einst ermöglicht haben, bald ergänzt durch Kanäle und Eisenbahnen. Damit entstanden Zechen und Stahlwerke. Wohnraum für zuwandernde Arbeiter führte zu entsprechenden Siedlungsstrukturen. So entstand eine zusammenhängenden Fläche, in deren Netz 135 kulturell zu bewahrende Elemente ausgewiesen sind, gegliedert in Flüsse, Bergbau, Kokereiwesen, Eisen- und Stahlindustrie, Halden, das Emscher-System, Eisenbahnen, Kanäle, Siedlungen/Villen, Grünzüge, Polder und Institutionen.
Die industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet ist weltweit einmalig. Dass sie Weltkulturerbe werden soll, dafür gibt es drei fundierte Gründe: Der erste ist kulturpolitisch. Regionale und lokale Kultur lebt in ihrem baukulturellen Rahmen. Der ist im Ruhrgebiet flüchtig. Seit den 1970er Jahren werden Orte kulturellen Lebens gesucht, gefunden werden aufgelassene montanindustrielle Anlagen, immer wieder werden sie auch bedroht. Kultur im öffentlichen Raum zeigt sich auf Halden, an neuen Seen und an renaturierten Wasserläufen. Die Gefahr der Beliebigkeit bleibt – ohne die nachhaltige Dokumentation der baukulturellen Geschichte. In Köln sind es romanische Kirchen und der gotische Dom, im Ruhrgebiet die einmalige postindustrielle Kulturlandschaft.
Zum Zweiten gibt es bereits seit Ende der 1960er Jahre stadtentwicklungspolitische Bemühungen, Industriebauten zu bewahren, begonnen mit der Unterschutzstellung der Zeche Zollern II/IV in Dortmund, über die Internationale Bauausstellung Emscher Park (IBA), die Aufnahme der Zeche Zollverein in Essen in das Weltkulturerbe bis zur Kulturhauptstadt Ruhr 2010. Das sind die Eckpunkte der Politik erhaltender Stadterneuerung innerhalb der Industrielandschaft. Zentral für sie ist der Denkmalschutz.
Ein drittes Argument für die Bewerbung ist international geschichtspolitisch begründet – durch die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut. Das Abkommen wurde 1954 geschlossen als Folge der Zerstörungen kulturellen Erbes im Zweiten Weltkrieg. Montanindustrielle Unternehmen im Ruhrgebiet haben zu Kriegsrüstung des faschistischen Deutschlands enorm beigetragen. Die Bewahrung des Weltkulturerbes »Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet« ist damit auch eins: eine Wiedergutmachung.
Zur Person
Der in Bochum lebende Christoph Zöpel war Minister für Bundesangelegenheiten, für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr und für Landes- und Stadtentwicklung des Landes NRW, dann Staatsminister im Auswärtigen Amt und Mitglied des Deutschen Bundestags. Er lehrt heute als Honorarprofessor an der Technischen Universität Dortmund und der Ruhr Universität Bochum.