TEXT: STEFANIE STADEL
Von einem Tag auf den anderen wechselte er seine Handschrift, nur um den Lehrer zu verblüffen. Die Haare trug er als Junge zeitweise so kurz, dass sich die Leute auf der Straße nach ihm umdrehten. Konrad wollte anders sein. So zumindest stellt er selbst es rückblickend dar – in einem der vielen Texte und Interviews, die das Künstlerleben begleiten.
Ganz ähnliche Gründe hatte wohl einst der Griff nach der schnöden Maschine: Während sich die Kunstszene in informellen Gesten erging – während hier K.O. Götz behänd den Rakel schwang und Jackson Pollock dort seine Leinwände volltropfte –, tat Konrad Klapheck 1955 in einem Geschäft für Büroartikel eine neue Motivwelt auf. Mit einer alten Continental-Schreibmaschine fing es an. Sechs Mark Miete pro Woche legte der Kunststudent damals für das geduldige Modell hin. Und erlebte bald, wie das schnöde Ding unter seinem Pinsel eine sonderbare Verwandlung durchmachte – zu einem wenig schmeichelhaften Porträt seiner selbst wurde.
Damit ist bereits ziemlich viel gesagt über Klapheck und seine Malerei, die zu spät kommt für Neue Sachlichkeit oder Surrealismus und zu früh für die Pop Art. Die allein auf weiter Flur, doch – zumindest für die folgenden vier Jahrzehnte – auf ziemlich absehbarer Bahn fortfährt. Telefon und Wasserhahn, Fahrrad, Duschkopf, Bügeleisen, Reißverschluss und Registrierkasse säumen jetzt den wenig überraschenden Parcours durch Klaphecks große Werkschau im Museum Kunstpalast in Düsseldorf.
Und die Nähmaschine natürlich. Bereits 1957 verfiel Klapheck dieser Spezies. Es war in einem schäbig möblierten Zimmer in Versailles, wo er sie sich – einsam, von Reue und Liebeskummer zerfressen – malerisch zu eigen machte, um ihr Abbild anschließend als »gekränkte Braut« zu titulieren. Künftig machte Klapheck sich solch deutungsfreudige Namen für seine Maschinenbilder zur Regel, räumte so jeden Zweifel über ihre autobiografischen Hintergründe aus.
Seiner nüchternen, sachlichen Bildwelt hauchen die Titel etwas Leben ein. Und dem interpretationsfreudigen Betrachter können sie einen beträchtlichen Mehrwert bescheren. Wenn er sich im zierlichen Duschkopf die »Diva« denken darf oder im halb geöffneten Reißverschluss den »Schürzenjäger«. Wenn er die gestrenge Rechenmaschine als »Gesetzgeber« kennenlernt und im bedrohlichen Drahtesel vor finsterem Grund unausweichlich das »Schicksal« auf sich zurollen sieht.
»Beim Malen schreibe ich unwillentlich auch eine Autobiografie«, so erklärte der Künstler einem Kollegen. »Auf der Oberfläche der Gemälde ist sie nicht zu sehen, sie liegt verborgen unter einer Schicht aus Eis, unter einer ganz bestimmten Perfektion von Form und Farbe.«
Jene Perfektion, von der Klapheck spricht, verbietet ihm stilistische Ausreißer. Erlaubt keinen Wechsel der Handschrift – wie er den Schüler einst reizte. Bis weit in die 90er Jahre hinein gestattet der Maler sich allenfalls Vereinfachungen im Detail seiner gemalten Ready-mades. Gelegentlich stören solch fehlende Einzelteile die Funktion, laufen der glatten Perfektion zuwider. Ähnlich wie die durchgehend nostalgische Note in
Klaphecks Motivwahl, die sanften Farben und der fast naive Strich des Malers, lassen sie Seele durchschimmern unter der eisigen Schicht. Doch bleibt sie dicht – noch.
Erst 1997 tritt Klappheck aus seinem Maschinenpark heraus. Bricht das Eis und wagt etwas Neues. An die Stelle der neutralen Bildgründe treten komplexe Bühnen, in die der Künstler statt seiner Apparaturen eher unbeholfen wie aus Rohren zusammengesetzte Menschen montiert. Mal sind es Jazzmusiker. Mal nackte Frauen, die sich dem Betrachter unwillkürlich als lange unterdrückte Altmännerfantasien aufdrängen.
Mut beweist dieser Neuanfang ganz bestimmt – wie einst die neue Handschrift, der ausgefallene Haarschnitt, der Griff nach der Maschine. Missglückt scheint er dennoch. Es sind und bleiben die Menschen eines Maschinenmalers, die nun unverhohlen und direkt auf die Leinwand bringen, was die Apparaturen diskret andeuteten. Klapheck hat das Eis gebrochen, das Geheimnis gelüftet. Was bleibt, ist Ernüchterung.
Bis 4. August 2013, Museum Kunstpalast, Düsseldorf. Tel.: 0211 / 899 02 00. www.smkp.de