»Citylights«. Der Name verspricht schillernde Urbanität, von Licht trunkene Boulevards und elegantes Stadtleben. Tatsächlich handelt es sich um mannshohe Glaskästen, in der leise rumpelnd wechselnde Plakatmotive hin und her fahren und die eher spärlich die Bushaltestellen und Bahnsteige der Republik beleuchten. Zweckdesign, das zwar mehrere Funktionen mit einer Klappe schlägt, aber sonst die Tristesse der gegenwärtigen Stadtgestaltung in sich trägt.
Das war durchaus mal anders. Mit der Erfindung der Elektrizität und der Glühlampen veränderten sich die Städte und Metropolen. Das Licht gestaltete plötzlich die Fassaden, betonte markante Architektur und schickte bewegte Werbung in die Nacht. 1882 wurde der Prototyp einer Lichtwerbung auf der Londoner International Electrical Exhibition vorgestellt, 1896 installierte man in Berlin die ersten Leuchtreklamen. Durch geschickte Schaltungen konnte sogar Bewegung erzeugt werden – wie 1912 in der Friedrichstraße, wo sich eine große Sektflasche aus tausend Glühbirnen in Richtung eines Glases neigte.
NRW hatte zu dieser Zeit aber auch schon Spektakuläres zu bieten. Seit 1904 leuchtet das Bayer-Kreuz zwischen den Schloten des Leverkusener Werks, das immer noch als die weltweit größte Leuchtreklame gilt. Früher sorgten 1712 Glühlampen für das nötige Licht, 2016 wurden sie durch LED-Leuchtmittel ersetzt.
Mit der aufkommenden Neon-Technologie eröffneten sich ganz neue, flexible Möglichkeiten für die Gestaltung der Formen und Farben der Leuchtreklamen. Georges Claude und Jacques Fonseque machten 1912 an ihrem Pariser Friseursalon den Anfang. Von dort verbreiteten sich die Neonschilder in die Welt und machten Straßen wie den Piccadilly Circus, den Times Square oder den Tokioter Bezirk Shibuya zu flackernden und flirrenden Gesamtkunstwerken. Und auch Las Vegas wäre ohne die Leuchtreklamen, die erstmals in den 20er Jahren installiert wurden, wohl nur ein Kaff in der Wüste geblieben.
Die Stadt erfindet sich ständig neu – so werden Casinos und Hotels regelmäßig weggesprengt, um Platz für neue Sehenswürdigkeiten zu schaffen. Die übriggebliebenen Leuchtreklamen finden ihre letzte Ruhestätte auf einem 8000 Quadratmeter großen Typografiefriedhof, auf dem man seit 1996 das »Neon Museum« besuchen und 150 historische Leuchtreklamen bestaunen kann. Darunter ist auch die erloschene Lichtwerbung des ehemaligen »Stardust«-Casinos, die man früher mit 66 Metern Länge, 8 Metern Höhe und ausgestattet mit 2200 Metern Neonröhren noch hundert Kilometer weit in der Wüste Nevadas sehen konnte.
Nun verrosten und verwittern sie würdevoll, viele der Glühbirnen und Neonschlingen sind zerbrochen. Der Glanz von gestern, die Zukunft gehört sowieso der LED-Technik, die nun mit eher technisch-perfekter Hochglanzkühle die Städte übernimmt. Oder man denkt viel größer, wie das Magazin »Time«, dessen Cover 2018 als Werbeaktion von 958 beleuchteten Drohnen im Nachthimmel über Kalifornien nachgebildet wurde. Derweil rumpeln die »Citylights« weiterhin einsam im Dämmerlicht unserer Bushaltestellen.