Volker K. Belghaus betrachtet Design im Alltag. Dieses Mal aus seinem Vorratsschrank.
»Serviervorschlag« ist ein schönes deutsches Wort. Hübsch technokratisch, es könnte auch aus der ehemaligen DDR stammen wie die gastronomische »Sättigungsbeilage«. Die Angabe »Serviervorschlag« ist stets klein auf den Verpackungen von Fertiggerichten gedruckt. Das ist äußert raffiniert, da es die vorgeblich abgebildete Mahlzeit nicht im Original zeigen muss, sondern sie nur simuliert. »Schaut her, liebe Gourmets, so könnte die köstliche Tütensuppe aussehen, wenn ihr sie nur wie vorgeschlagen servieren würdet!«
Betrachtet man die Verpackung einer asiatischen Nudelsuppe mit Shrimps, ist man erst einmal entzückt von der rötlich-metallischen Verpackung mit dem verheißungsvollen Namen »Yum Yum«. Die Abbildung der Suppe verspricht einiges, kann es aber nicht halten: In einer Schale dampft eine prächtige Nudelsuppe, in der drei noch prächtigere Shrimps liegen, außerdem flächig geschnittene Zwiebeln, eine rote Peperonischote und ein saftiger Limonenschnitz.
Höchstwahrscheinlich erwartet den Konsumenten ein wahres Geschmacksfeuerwerk in der Glitzertüte! Aber, ach – öffnet man sie, stößt man nur auf einen viereckigen Block asiatischer Nudeln, der an einen grobgehäkelten Topfschwamm erinnert, sowie zwei kleine Tüten. In der transparenten Tüte aus Kunststoff befindet sich »Flavoured Oil«, also Öl mit Geschmack, das süß-sauer riecht. Aus dem Alu-Tütchen rieselt etwas, das erst wie Sand aussieht, sich aber als Würzmischung herausstellt. Von den auf der Packung versprochenen Shrimps, Zwiebeln und Peperoni keine Spur.
Auch nicht, wenn man das Ganze in heißem Wasser zusammenrührt. Im Vertrauen auf die asiatische Nahrungsmitteltechnologie hätte man annehmen können, dass beim Kontakt mit Wasser das Pulver aufploppt und zu Garnelen wird. Ergebnis ist aber nur eine schlichte Nudelsuppe. Schaut man sich die Verpackung genauer an, erkennt man es: »Instant Nudeln mit Garnelengeschmack«. Also ohne Meeresgetier, dank den Segnungen der Glutamatforschung. Wer nun »Skandal!« ruft, der lerne lesen. Es steht ja drauf. Die Konkurrenz versucht immerhin, durch weitere Zutaten den Anschein einer Suppe zu erwecken. Sie liefert ihre Trockenzutaten in Kunststoffbechern, die mit kochendem Wasser aufgefüllt und verrührt werden müssen. Danach finden sich darin kleine Möhrenwürfelchen, Stückchen von Kräutern und tatsächlich einige winzige Shrimps – entweder eine sehr kleinwüchsige Art, oder sie sind nicht sehr alt geworden.
Bei den Tütensuppen steht der unbedingte Geschmack im Vordergrund. Wie der erzeugt wird, mit welchen Pulvern und Zusatzstoffen, darüber macht man sich besser keine Gedanken. Totales Teufelszeug ist es dennoch nicht, man denke nur an den Maggi-Suppenwürfel (1900) und Justus Liebigs Fleischextrakt (1853), die früh entwickelt wurden, um die arme Bevölkerung und die Armee zu versorgen. Die erste »Fünf Minuten Terrine« kam 1979 in die Regale und nahm den Trend des Nichtmehrselberkochens vorweg. Allein das Wort »Terrine« reicht dabei, um die Sonntagssuppe von Oma herbeizutriggern. Als mentaler Serviervorschlag, sozusagen.