War ja klar, dass es mal wieder Andy Warhol war, der ein handelsübliches, rotes Sofa zu einem Kunstobjekt machte. Konservendosen und Brillo-Schachteln reichten ja nicht. Für seinen 16mm-Experimental-Stummfilm »Couch« ließ er 1964 verschiedenste Paare auf einer solchen miteinander kopulieren, darunter Allen Ginsberg, Jack Kerouac, Taylor Mead und Baby Jane Holzer.
Warhols gemütliches Beischlafen ist nur eine der Tätigkeiten, die man auf diesem Möbel veranstalten kann. Die alten Römer haben beispielsweise auf ihnen gegessen, wie es historische Wandbilder und Asterix-Hefte bezeugen. Dort sieht man sie auf dem Vorgänger der gegenwärtigen Couch, dem Triclinium, lagern – auf der Seite liegend, um mit der freien Hand Wein und mediterranes Fingerfood zum Munde zu führen. Im Vergleich zu heute waren diese nur mit dünnen Kissen gepolsterten Triclinia aber eher unbequem.
Weichere Exemplare muss man frühestens ab dem 17. Jahrhundert suchen, die in England und Deutschland aufwendig gefertigt wurden und als Luxusartikel dem Adel vorenthalten waren. Feine Damen, die im 19. Jahrhundert einen Schwächeanfall erlitten, sanken auf eine entsprechende »Ohnmachts-Couch«. Mit der Industrialisierung wurde die Couch zum Massenprodukt und verbreitete sich in den guten Stuben. Musterbeispiel dafür ist das Sofa »Klippan«, das IKEA seit 1979 ununterbrochen produziert und das mit 1,5 Millionen Stück (allein zwischen 1998 und 2005) zu den weltweit meistverkauften Möbeln gehört. Eckig, länglich, zeitlos – nur die Auswahl des Bezugs und dessen Farbe sorgt für scheinbare Individualität.
Couch-Gags mit den Simpsons
Von der Formgebung ist in der Design- und Kulturgeschichte für jeden Geschmack etwas dabei. Arne Jacobsens skandinavisch-klares »Swan Sofa« mit runden Linien, das er 1958 für das SAS Royal Hotel in Kopenhagen entwarf. Das Psychoanalysemöbel von Dr. Sigmund Freud, eher Ruhebank als Kuschelsofa, oder der samtgrüne Biedermeier-Zweisitzer aus den Sketchen Loriots. Die Couch der Familie Bundy aus Chicago, die die Zuschauer*innen der Sitcom nur aus der Perspektive des Fernsehgeräts sahen. Und natürlich das braune-amorphe Exemplar der Simpsons, das als stets neuer »Couch-Gag« am Anfang jeder Folge durch 32 Staffeln in die TV-Geschichte einging, als Ausgeburt der selbstreferentiellen Metaebenenhaftigkeit.
Könnte sein, dass die Couch in Fernsehserien deshalb so beliebt ist, weil sie das davor fläzende Publikum perfekt spiegelt. Ein überaus demokratisches Möbelstück. Und ein Rückzugsort vor den Schlechtigkeiten des Lebens. Die Trendforscherin Faith Popcorn hat bereits Anfang der 90er Jahre dafür den Begriff des »Cocooning« geprägt, des Einkapselns in den eigenen vier Wänden. Da kannte sie aber noch keine Lockdowns, in denen die Couch tatsächlich zum persönlichen Mittelpunkt der Welt wird – digital vernetzt mit Streamingdiensten und Internet, und das Essen kommt mit dem Bringdienst. Ein Bild dafür hat Martina Stapf gefunden, die mit ihrer Serie über Möbel und Menschen auf die Shortlist des Vonovia Awards für Fotografie landete.
Die ganz Konsequenten errichten jedenfalls mittels Laptop direkt ihr Home-Office zwischen den Polstern, wer braucht dafür schon einen Schreibtisch? Und dass man sich auch noch den Weg von der Couch zum Bett sparen kann, hat ja bereits Andy Warhol gezeigt.