TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Die Roten sind immer zuerst weg. Ob das am Geschmack oder an der Signalfarbe liegt, neben der ein Ananas-Bärchen doch arg farblos wirkt, ist nicht bekannt. Himbeer macht Kinder und Erwachsene also gleichermaßen froh; das hat jedenfalls eine Studie ergeben, die Haribo vor einigen Jahren in Auftrag gab. So eine Frage stellt sich für die Lakritz-katzen von Katjes in ihrem gediegenen, matten Designer-Schwarz dagegen nicht.
Viel gemeinsam haben die beiden eigentlich nicht. Gut, sie werden in Nordrhein-Westfalen hergestellt – die Goldbären in Bonn, die Lakritzkatzen in Emmerich nahe der niederländischen Grenze – aber dann hört es auch schon auf. Schaut man sich die possierlichen Tierchen einmal genauer an, so fällt auf, dass es schon etwas Fantasie braucht, um die Goldbären als solche zu erkennen. Sechs Knubbel ergeben abstrakte Tatzen und Ohren, Augen und Maul sind schwach angedeutet. Aufgrund dieser amorphen Form könnte man aus mehreren Tüten eine Miniaturausgabe von Verner Pantons psychedelisch-hügeliger Wohnlandschaft »visiona 2« nachbauen. Oder sie nach Farben geordnet nebeneinander ins Regal stellen – als Reminiszenz an den großen Willy Fleckhaus und dessen glorreiche Suhrkamp-Zeiten.
Die schlanke Gestalt der kantigen Katjes-Katze trägt hingegen altägyptische Züge; als wäre sie von den Hieroglyphen auf einer Tempelwand abgepaust worden. Sehr elegant, das Biest. Die kleine Schwarze hatte samstagabends was besseres vor, als mit ihren Artgenossen in einer Schale vor der »Wetten, dass…?«-Couch auf die Hände von gelangweilten Prominenten zu warten. Der Goldbär als Werbepartner passte da besser zum Goldlöckchen Gottschalk – bunt, süß und leicht verdaulich. Die Lakritzkatzen hätten eher zum frühen Frank Elstner gepasst. Mit Markus Lanz wurden die Goldbären ersatzlos gestrichen – schade eigentlich, blassrosa Joghurt-Gums hat Katjes ja auch im Programm.
Der Präsenz von Gottschalk und seinen Goldbären versuchten die Emmericher prominente Testimonials entgegen zu setzen. Stefan Raab, Heidi Klum und sogar Reiner Calmund machten sich für Katjes-Produkte stark. Haribo war da mit seiner Katjes-Konkurrenz »Katinchen« in den 70ern schon weiter. Auch damals warben merkwürdige Frisuren für die Nascherei, bekannte Fußballspieler mussten sich am Spielfeldrand äußern. Uwe Seeler sagte brav den Satz »Der Geschmack von den Katinchen – Weltklasse!« auf; der backenbärtige und goldkettenbehangene Wolfgang Overath kölschte fröhlich »Für den Geschmack der Katinschen, da könnt isch für kämpfen!« in die Kamera.
Es gab aber auch Tierversuche in Sachen Form und vor allem Farbe. So bietet Katjes seit einigen Jahren Fruchtgummi im berühmten Lakritzkatzen-Design an; diese bunten Tierchen fristen ihr Dasein vorzugsweise in kleinen Tüten in den typischen Reisebedarfspiralautomaten auf deutschen Hauptbahnhöfen. Und Haribo gab sich 2008 patriotisch und produzierte zur Fußball-Europameisterschaft »Schwarz-Rot-Goldbären« in den entsprechenden Farben und den Geschmacksrichtungen schwarze Johannisbeere, Himbeere und Zitrone. Fruchtgummi in Staatsfarben – das hätte wahrscheinlich auch Kaiser Wilhelm II. gefallen, der seinerzeit aus seinem Exil im niederländischen Doorn verlauten ließ, dass die »Goldbären aus Bonn das Beste seien, was die Weimarer Republik hervorgebracht habe«.