TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Manche Ideen setzen sich durch, andere nicht. Einen Schirm mit einem Erdungsband zu versehen, wie im 19. Jahrhundert angedacht, ist beispielsweise ein ganz dummer Einfall. Weitaus besser und zukunfts-fähiger war hingegen jener des pensionierten Bergassessors Hans Haupt aus Breslau, der an einer Kriegsverletzung litt und deswegen Schwierigkeiten hatte, gleichzeitig seinen Gehstock und einen Stockschirm zu tragen. 1928 konstruierte Haupt das erste Gestell eines leichten, teleskopierbaren Schirms, der in jede Tasche passen sollte und sinnvollerweise »Knirps« genannt wurde. Das Solinger Unternehmen »Bremshey & Co« wurde darauf aufmerksam und unterstützte die weitere Forschung und Entwicklung des Taschenschirms bis hin zur Serienproduktion.
In den 30er Jahren kamen der »Lady Knirps« und der »Gentleman Knirps« auf den Markt. Das Modell für die Dame hatte mit einem langen Griff und Zierrat wie Troddeln und Quasten stilistisch etwas von Mary Poppins, während der »Knirps« für den Herrn dem späteren Klassiker schon sehr nah kam – kompakte Gediegenheit mit dunkler Bespannung und einem gebogenen Griff. Die fünfziger Jahre brachten den endgültigen Durchbruch für den »Knirps«; die Bevölkerung wurde mobiler, und modisch machte der Taschenschirm mit wild gemusterter Nylonbespannung von sich reden. Von Onkeln und Tanten wurde er den Heranwachsenden zum Geburtstag oder zur Konfirmation geschenkt. In einem Alter, in dem man sich lieber nassregnen lässt, als mit einem Schirm in der Hand auf die nächste Party zu gehen, ein eher uncooles Geschenk. Eher vernünftig-spießig – schirmgewordenes, deutsches Sicherheitsdenken eben; mit einem »Knirps« in der Tasche war man wohlig gefeit gegen jede widrige Witterung.
Dabei wurde der Schirm erst Mitte des 17. Jahrhunderts zum Regenschirm, vorher diente er hauptsächlich als Sonnenschutz. Im englischen Wort »Umbrella« klingt noch das lateinische »umbra«, Schatten, an; die damaligen Schirme bestanden aus Holz und Fischbein und wogen um die fünf Kilogramm. Insofern war der »Knirps« eine Revolution in der Schirm-Historie und wurde außerdem zum Synonym für eine ganze Produktgruppe. Wie mit »Tempo« das Taschentuch assoziiert wird, so wird der »Knirps« direkt mit einem Schirm gleichgesetzt.
Der kleine Regenschutz hat seinen Weg vom Spießerzubehör der Wirtschaftswunderzeit zur weltweit bekannten Marke gemacht. Auch technisch ging es weiter – der »Knirps Duomatic« trotzte mit seinem automatischen Öffnungs- und Schließmechanismus ab 1997 dem Regen, 2002 folgte der »Knirps FiberT1« in einem leichten Alu-Etui, der ein Jahr später zusätzlich zum »Knirps«-Logo einen weiteren roten Punkt hinzubekam und mit dem »red dot award« ausgezeichnet wurde. Und es wurde daran gearbeitet, das Ding richtig klein zu bekommen – Ergebnis dieses Schrumpfungsprozesses ist der »Knirps X1«, der gerade mal 230 Gramm wiegt, geschlossen nur 16,5 cm lang ist und ebenfalls Designpreise wie den »Best Design Award« (Neuseeland), den »IDSA« (USA) oder den »Good Design Award« (Japan) abgeräumt hat.
Ab 1999 stellte man sich neu auf – die Produktion in Solingen wurde eingestellt und die Lizenzen an österreichische und Schweizer Firmen verkauft. Unter der Marke »Knirps« werden heute auch Sonnenschirme für die Terrasse und Reisekleidung angeboten. Sein positives Marken-Image hat der »Knirps« über die Jahrzehnte behalten und trotzt auch weitgehend der chinesischen Billigkonkurrenz. Warum das so ist, kann man nach windigem Wetter in öffentlichen Papierkörben sehen: Dort liegen die abstrakt verbogenen Überreste von Schirmen, die ihr Schutzversprechen nicht halten konnten.