Gala habe sie sofort mehr als Dalí interessiert, sagt Elke Heidenreich über ihren Auftrag von Kammeroper NRW und Oper Köln, zur Ausstellung des spanischen Surrealisten im Museum Ludwig eine Oper zum Thema zu schreiben. Gala, geboren 1894 oder 1890 in Kasan als Helena Dmitrievna Deluvina Diakonova, war die Frau des Dichters Paul Éluard; 1929 nach einem Besuch des Ehepaars bei Dalí verließ sie ihren Mann, um fortan bei dem genial-irren Maler zu bleiben. »Éluard liebte sie. Max Ernst hasste sie. Dalí brauchte sie«, meint die Librettistin und Opernnärrin, für die die Kammeroper »Gala Gala« (nach einer Kinderoper) den Einstand in die ernste Opernwelt bedeutet. Gala, erklärt Heidenreich sich das Phänomen, sei verführerisch gewesen durch die ständige Evokation des Geheimnisvollen. »Ihr Geheimnis war aber«, sagt Heidenreich, »dass sie keins hatte. Ihre Kraft bezog sie daraus, alles, was sie selbst betraf, zu verschweigen. Sogar ihr Geburtsdatum. « Ihre Wirkung auf Dalí war durchschlagend, André Breton hatte aus dessen Namen verächtlich das Anagramm »Avida Dollars« gemacht, gierig nach Dollars; Gala stachelte diese Gier an und sorgte dafür, dass die Dollars auch kamen. Heidenreich: »Gala hat Dalí sowohl gefördert als auch ruiniert. Sie wollte unsterblich werden, sie wollte nie mehr arm sein, sie hat dafür gesorgt, dass am Ende Dalís Bilder auf allen Tassen klebten.« Mit Max Ernst hatte Gala ein Verhältnis, als sie mit Éluard verheiratet war; auch neben Dalí habe sie ihre nymphomanischen Begierden ausgelebt, konstatiert Heidenreich nüchtern. »Das hat Dalí aber nicht gestört, denn Dalí hatte Angst vor dem Akt – der wollte nur zugucken.«
Elke Heidenreichs kleine Oper, oben im Treppenhaus des Museum Ludwig uraufgeführt, fängt den Moment vor dem Beginn einer großen Dalí-Ausstellung ein. Dalí übt sich in Posen, malt manisch, Éluard und Max Ernst treten auf, Gala umgarnt beide, Éluard ist der femme fatale nach wie vor verfallen, aber Ernst wehrt sich gegen die »russische Hexe«. Die bleibt unbeeindruckt. Der junge Komponist Marc-Aurel Floros hat die Musik zu dem knapp einstündigen Einakter geschrieben, die Zusammenarbeit mit ihm nennt Heidenreich »ein einziges Glück«. Beide haben vor, bald eine weitere Kammeroper zu verfassen. UDE
Der auf die Kammeropernbühne gebrachte Künstler Salvador Dalí genießt Vorzugsbehandlung durch die Partitur: Wie Mozarts Bassa Selim darf er sprechen, muss nicht singen. Im letzten Drittel der von Elke Heidenreich aus Texten der 20er Jahre montierten Sentenzen skandiert er: »Ich bin gegen Musik und für Architektur«. An dieser Stelle hätte sich kurzes heiseres Gelächter im Museum Ludwig erheben können. Aber es unterblieb. Das Unternehmen erheischte eine Gravität, welcher der verhandelten Farce zuwiderläuft: Es geht um das Taktieren der Künstler-Gattin und -Hetäre Gala, um das Enttäuschungsschluchzen des Dichters Paul Éluard, das produktive Gattendasein Dalís sowie die aggressive Geilheit eines nicht ganz ernsthaften Max Ernst.
Marc-Aurel Floros operiert durchaus mit musikhistorischer Kenntnis und handwerklichem Geschick. Der Komponist hat dem jetzigen Kölner Opernintendanten Dammann bereits in Neustrelitz ein wenig effektives Musical geliefert (»Revolution«). Nun hat er wiederum von Wagner über Mahler bis Webber so mancherlei zusammengetragen, was die kalte Obsession der Titelfigur betönt. Regina Richter gibt sie bravourös, herrisch und koloraturensicher. Aus einem lang gehaltenen tiefen Ton wächst die Introduktion: so, als solle »Rheingold« parodiert werden. Das hätte ja Sinn gemacht, da es auch mit »Gala Gala« um den Zusammenhang von Eros, Geld und Macht geht. Doch nach der ersten Aufwölbung zu einer spätexpressionistischen Großgeste kehrt der Tonsatz rasch bei der Motorik der mittleren 20er Jahre ein. Selbst dort, wo die kammermusikalische Klangspur in Anlehnung an die Atonalität des frühen 20. Jahrhunderts etwas freiere Fahrt aufnimmt, wird sie allenthalben wieder rasch durch allzu harmonische Penetranz eingetrübt. Die Ansätze zu Eigenem in der versiert eklektizistischen Schreibweise von Floros werden durch verkehrsinselartige Versatzstücke aus dem geschichtlichen Fundus ausgebremst. Das, was sich so ganz und gar als »Erinnerungsmusik« entfaltete, gleitet aus in eine nostalgische Vokalise über weichgespültem Abendrot des auf Westentaschenformat geschrumpften Gürzenich- Orchesters. Durch die biedere Inszenierung von Ralph Goertz wird aus dem hochsubventionierten Kammerspiel erst recht kein Gala-Abend. FRIEDER REININGHAUS