TEXT: STEFANIE STADEL
Ein halbes Jahr erst ist Tony Cragg Direktor an der Kunstakademie, da schüttelt der ruhige Brite ohne viel Aufhebens sieben neue Professoren aus dem Ärmel. Allen voran Andreas Gursky. Dass der Fotograf und Becher-Schüler zum Sommersemester eine Klasse in Düsseldorf übernehmen wird, ist sicher Craggs größter Coup. Nicht nur weil der 55-Jährige zu den internationalen Superstars zählt. Auch weil just Gursky es war, der vor nicht langer Zeit noch öffentlich die Zustände an der Düsseldorfer Künstlerschmiede beklagt hatte.
Zusammen mit den Fotografenkollegen Hilla Becher und Thomas Ruff forderte er eine zweite Klasse für Fotografie und beanstandete, dass in Düsseldorf Professoren für Video und Neue Medien fehlten. Die Situation an der Akademie bleibe ein »Trauerspiel«, so Gursky.
Craggs Vorgänger, Markus Lüpertz, hatte indes kaum eine Gelegenheit ausgelassen, seine gelangweilte Haltung gegenüber den Sparten kundzutun. »Einen ernsthaften Maler interessiert so etwas nicht.« Der »Künstlerfürst« mit Stock und Gehrock führte immerhin 21 Jahre lang das Regiment an der Akademie. Und er ist wohl nicht ganz unschuldig daran, dass das Institut in dieser Zeit einiges von seinem Spitzen-Renommee verlor. Unter Cragg ist nun Neuanfang angesagt – ein deutlicheres Zeichen als Gurskys Berufung könnte es dafür kaum geben.
Dafür musste Cragg noch nicht einmal eine zweite Fotografieklasse einrichten, wie sie seinerzeit von den drei Protestlern gefordert worden war. In Düsseldorf gibt es traditionell nur eine Fotoklasse, daran mag auch er offenbar nicht rütteln. Und so übernimmt Gursky ab dem Sommersemester eine neu eingerichtete Klasse für Freie Kunst. Dass dies manch einen Beobachter erstaunt, kann Cragg nicht verstehen: »Für mich ist Gursky schlicht ein phantastischer Künstler, der Kunst mittels der Fotografie macht.«
Unter den neuen Professoren-Kollegen wird Gursky auf Marcel Odenbach treffen, der zum Bedauern der Kölner von der dortigen Kunst-hochschule für Medien nach Düsseldorf wechselt. Der 56-Jährige arbeitet bereits seit den 70ern mit Video und hat die Entwicklung des Mediums entscheidend beeinflusst. An der Kunstakademie wird er die unter Lüpertz vernachlässigten Sparten Video und Film lehren, dabei in die tiefen Fußstapfen des berühmten Videopioniers Nam June Paik treten, der diesen Lehrstuhl in Düsseldorf bis 1996 besetzt hatte.
Katharina Fritsch, 54 und bis jetzt Professorin in Münster, steht als weiterer großer Name auf Craggs Liste. Die Bildhauer-Kollegin ist seit den 80ern für ihre knalligen Figuren in Gips, Polyester oder Aluminium bekannt. Mit Johannes Schütz nimmt ein herausragender Bühnenbildner die Arbeit in Düsseldorf auf, geschätzt für seine formal strengen, minimalen Rauminszenierungen.
Drei jüngere deutsche Malerstars werden demnächst den traditionellen Schwerpunkt der Hochschule stützen. Katharina Grosse, mit 48 Jahren die älteste in dieser Riege, kommt von der Kunsthochschule Weißensee nach Düsseldorf, wo sie früher selbst einmal die Malerei-Klasse von Gotthard Graubner besucht hatte. Seit den 90ern geht Grosse mit ihrer Farbmalerei neue Wege, indem sie die Leinwand verlässt und per Spritzpistole manchmal ganze Räume erobert.
Die 1967 in Kiel geborene Tomma Abts ist seit 2005 im Gespräch, als sie für ihre abstrakt-geometrischen Gemälde ziemlich überraschend mit dem Turner-Preis ausgezeichnet wurde. Abts Arbeit sind langwierige Über-malungen, Schicht für Schicht schafft sie meist nur wenige Werke, die nur im Original und bei genauem Hinschauen ihr Geheimnis offenbaren.
Der Dresdner Eberhard Havekost, ebenfalls Jahrgang 1967, konnte sich in den letzten Jahren abseits vom DDR-Malerei-Boom international einen Namen machen. Mit Gemälden, die ihre fotografischen Vorlagen zum Anlass nehmen, Fragen rund um die Wirklichkeit von Bildern nachzugehen.
Letzten Sommer erst hatte Cragg als neuer Rektor verkündet, dass binnen vier Jahren alles ganz anders sein werde an der Akademie. Mit seinem Tempo kann er den Zeitplan sicher gut halten. Und was steht als nächstes an? »Es gibt sicher Dinge, die wir ändern wollen und auch ändern werden«, so Cragg. »Aber es ist nicht dienlich, wenn ich sage, welche.«