Vor gut einem Jahr sah man ihn auf dem Dach des Berliner Humboldt Forums stehen – zur Eröffnung seiner vielbeachteten Klanginstallation posierte Emeka Ogboh zwischen zwölf Lautsprechern. Seither tönen aus den Boxen zu jeder vollen Stunde die Stimmen von zwölf Sänger*innen, die ein traditionelle Weise des nigerianischen Volkes der Igbo intonieren, eine ethnische Gruppe aus dem Südosten Nigerias. Lange Zeit sei nigerianische Kunst gestohlen und gewaltsam entwendet worden, so Ogbohs Kommentar. »Jetzt stellen wir unsere eigenen Werke hier hin.« Mit dieser Äußerung bezog sich der Künstler auf die Kolonialismus-Debatte im Zusammenhang mit nigerianischer Raubkunst im Humboldt Forum.
Ogbohs vielbeachtete Arbeit für Berlin zeigt recht gut, was den Künstler bewegt. 1977 in Nigeria geboren, lebt und arbeitet er seit Jahren überwiegend in der deutschen Hauptstadt und entwickelt Werke, die von Migration und Kolonialismus handeln. Die mit Heimat zu tun haben, mit dem Leben in der Fremde und mit Gefühlen oder Erinnerungen, die geweckt oder wachgehalten werden. Durch Klänge, aber auch durch Gerüche oder Geschmack. Von Bier zum Beispiel. So hat Ogboh passend zu seinen Auftritten immer wieder Biersorten kreiert. Jener für Münster gab er einen Hauch von Lindenblüten bei. Während er sich bei der Kreation für Baden-Baden für einen gewagten afrikanisch-baden-württembergischen Mix entschied: Scharfe Chilischote trifft Schwarzwälder Kirsch.
Töne der Trauer
Was hat Ogboh nun in Hörstel vor? Zunächst habe man daran gedacht, dass er ein bestehendes Werk präsentiere, so Sara Dietrich, Leiterin des DA Kunsthauses. Doch sei Ogboh schon beim ersten Besuch klar geworden, dass er etwas Neues entwickeln wolle. Vier Räume will er zum Klingen bringen. Und dabei recht persönlich werden: Unlängst hat Ogboh einen ihm sehr nahestehenden Menschen verloren. Dies wird er zum Thema machen und eine Vinylplatte produzieren. Wie schon auf dem Dach des Berliner Humboldt Forums besinnt er sich auf die eigene Tradition und wird zusammenarbeiten mit Chören der Igbo in Nigeria, die auf eine reiche mündliche Tradition bauen und in Wort, Klang, Gesang sehr differenziert komplexe Gefühle auszudrücken vermögen.
Vielleicht ist es ja das Ambiente des alten Klosters gewesen, dass den Künstler inspiriert und bewogen hat, hier die eigene Trauer anzugehen? In einem der vier Räume will er seine Schallplatte komplett spielen. In den anderen drei werden jeweils nur Teile zu hören sein. Die Gestaltung soll dabei wohl zurückhaltend bleiben und sich weitgehend auf die Boxen beschränken. Wahrscheinlich werden die Fenster mit farbiger Folie verklebt, verrät Sara Dietrich. Abgeschirmt von der Außenwelt, soll man sich im Inneren wie durch eine Klanglandschaft bewegen. Und den Prozess nacherleben – Schmerz und tiefe Trauer, dann die Verarbeitung des Verlusts. Schließlich die Feier des Lebens. Ob dann wohl auch wieder ein eigenes Bier dabei sein wird? Eines, das nach Gravenhorst schmeckt?
DA Kunsthaus Kloster Gravenhorst, Hörstel
»Emeka Ogboh: Chi dị Ebere (God is merciful)«
17. Juni bis 20. August