TEXT: STEFANIE STADEL
Er liebt die großen Unbekannten. In schöner Regelmäßigkeit gräbt Museumsdirektor Peter van den Brink sie aus: Hans van Aachen etwa, Joos van Cleve oder Cornelis Bega wurden im Suermondt-Ludwig-Museum zuletzt mit großen Einzelausstellungen ins Rampenlicht gerückt.
Jetzt ist Johannes Thopas dran. Zweifellos einer, der den Entdeckergeist in besonderem Maße reizt. Denn der gehörlose Autodidakt hat noch nicht einmal den Status des vielzitieren Insider-Tipps erreicht.
Selbst Experten für niederländische Kunst des goldenen 17. Jahrhunderts haben oft nicht vielmehr als ein Schulterzucken für ihn übrig. Warum aber fand er bisher so wenig Beachtung? An einem schlechten Ruf kann es zumindest nicht liegen. Wenn in den vergangenen Jahrzehnten einmal die Rede von ihm war, dann kam Thopas immer gut weg – kein Zweifel also an der Qualität seiner Arbeit.
So finden sich denn auch viele seiner Blätter in herausragenden internationalen Sammlungen. Das Rijksmuseum in Amsterdam und die Wiener Albertina, das Victoria & Albert Museum in London und das Frankfurter Städel zählen zu den Leihgebern der Aachener Ausstellung. An die 40 Werke sind da im Dämmerlicht zusammengekommen. Doch reicht ein Blick in die Schau, und die mangelnde Publicity wird erklärlich. Schuld sein dürfte nicht zuletzt jene denkbar unspektakuläre Technik, der Thopas sich verschrieben hatte. Er schuf fast ausschließlich schwarzweiße Por-träts im Miniformat. Die meisten sind mit spitzem Graphitstift auf Pergament gebracht und mit Tinte laviert.
Da springt einen nichts an, wie man es gewohnt ist von den vielen Pracht-Gemälden dieser Zeit. Man muss schon ganz nahe herantreten – hineinkriechen quasi – will man die Finesse dieser Zeichnungen schätzen lernen. Am besten mit der Lupe lassen sich die fein ausgearbeiteten Oberflächen erkunden, das differenzierte Chiaroscuro, auch jenes zarte Gekringel, das bei Thopas an Stelle der zeichnerischen Linie tritt.
In Aachen kann man nachvollziehen, wie der Zeichner mit zunehmender Sicherheit sein Repertoire erweitert. Der Zwanzigjährige beschränkt sich noch auf winzige Brust-Bildnisse vor neutralem Grund. Mit dem Umzug von Utrecht nach Amsterdam weitet sich dann sein Blick. Aus dem Fenster fällt er auf authentische Architekturen – Nieuwe Kerk etwa oder Rathaus – die klein, aber unverkennbar den Ort des Geschehens definieren oder aber auf Beruf und Stand des Proträtierten hinweisen.
Waren es zunächst nur Durchblicke, so wagt sich Thopas bald an komplette Landschaftshintergründe. 1664 lässt er ein edel gekleidetes Paar mittleren Alters vor einer bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Waldlichtung mit Hunden, Jägern und springenden Hirschen posieren.
Thopas schuf das alles im Stillen, ohne große Werkstatt oder gar Gehilfen. Er war ganz bestimmt nicht der Mann für große Gesellschaften. Allein schon wegen seiner Behinderung. Erst in Zusammenhang mit der Aachener Ausstellung, die im Anschluss ins Rembrandthuis nach Amsterdam weiterwandert, hat man in Archiven gestöbert, um Näheres zur Biografie herauszufinden: Als Sohn aus einer wohlhabenden Arzt-Familie kam Johannes wohl 1626 in Arnheim zur Welt. Zunächst umsorgte die Mutter den taubstummen Sohn, später lebte er behütet bei Brüdern und Schwestern. Die Familie traute ihm offenbar nicht zu, dass er seinen Unterhalt aus eigener Kraft bestreiten zu können.
Vielleicht ein Irrtum. Denn Thopas’ Kundschaft muss zum Teil wohl ziemlich betucht gewesen sein. Davon zeugen die Kleidung der Porträtierten und das zuweilen recht noble Ambiente. Zum Beispiel im Porträt von Jan Wijs, der sich mit stolzer Haltung und selbstbewusster Miene präsentiert. Drum herum deutet Thopas das Amsterdamer Wohnhaus des Kaufmanns an – es gleicht einem Palast mit der Aussicht auf eine imposante Stadtkulisse.
Als wohlhabender Sprössling …
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Suermondt-Ludwig-Museum, Aachen, bis 22. Juni 2014. Tel.: 0241 / 479800. www.suermondt-ludwig-museum.de