Wenn man fragt, mit welchen Schauspielern sich Agatha Christies berühmteste Figuren, Miss Jane Marple und Hercule Poirot am ehesten verbinden, werden die meisten Margaret Rutherford und Peter Ustinov nennen, zwei geadelte Briten, Lady und Sir. Die Reihe der Interpreten (zuletzt Kenneth Branagh und John Malkovich) ist nicht weniger lang als die der Darsteller von Georges Simenons Kommissar Jules Maigret, die sogar aus Deutschland (Heinz Rühmann) und England (Rowan Atkinson) gecastet werden durften.
Die polyglotte Gewandtheit des in London geborenen Ustinov vermochte es insofern spielend, den Belgier Poirot (ein halbes Dutzend mal) zu verkörpern, der es partout nicht leiden kann, wenn er für einen Franzosen gehalten und sein Name falsch ausgesprochen wird. Während Miss Marple von ihrem Cottage heraus ermittelt, sich robust wie Tweed erweist und höchstens eine Teestunde entfernt bleibt von ihren Gewohnheiten, ist Poirot in einer Vielzahl von Romanen der Weitgereiste und Weltgewandte, der etwa den Orientexpress besteigt und als Außenseiter von Geblüt und Instinkt überall dort zu Hause ist, wo es mondän und exotisch zugeht und das Böse unter Sonne seinen Schatten wirft.
Es ist eine schöne Idee des Verleihs Studio Canal in seiner Reihe Best of Cinema eine Spurensuche von Hercule Poirot aufzunehmen, auch wenn die trotz Bluttat behaglichen und betulichen Ustinov-Abenteuer regelmäßig im Fernsehen zu sehen und überhaupt auf allen Kanälen erhältlich sind. Das Veloziferische, Rapide, sich selbst Übertrumpfende des Thrillers legt hier einen Stopp ein und findet zu sich selbst (zurück): zum klassischen Format, auch wenn damals, in den Siebzigern, längst Bond und andere Supermen das Genre aus den Angeln hoben.
Glanzvolle Interpreten
Die 1977 an Originalschauplätzen von John Guillermin gedrehte Adaption des »Tod auf dem Nil« hat, wie üblich, eine illustre Gruppe von Passagieren an Bord, von nicht weniger glanzvollen Interpreten gespielt: Bette Davis, Angela Lansbury (eine spätere Miss Marple), Jane Birkin, Mia Farrow, Maggie Smith und David Niven als pensionierter Colonel (in der assistierenden Rolle des Doktor Watson) und Phänotyp von britischer Noblesse und Understatement, der im Abendanzug und mit einem Cocktailglas in der Hand zur Welt gekommen scheint.
Es wäre bösartig zu behaupten, die Verfilmungen seien Vehikel gewesen, um ehemalige Ikonen des Kinos aus der Vitrine noch einmal am Starhimmel zu versammeln – darunter Ingrid Bergman (die für »Mord im Orient-Express« sogar einen weiteren Oscar erhielt), Kim Novak, Diana Rigg, Elizabeth Taylor, Tony Curtis, Rock Hudson, James Mason und Anthony Perkins.
So geht es auch nur sehr nebenher darum, den Fall mit Hilfe der »grauen Zellen« aufzuklären und die stets frappante Lösung ausführlich in einer Art Kolloquium auszubreiten, vielmehr darum, Charakterporträts en miniature zu entwerfen und en passant die glorreiche Epoche des Empire mit seiner Klassengesellschaft, ihren Traditionen und Ritualen, dem Dünkel, dem Exzentrischen und den Spleens zu konservieren und besonders gern gegen die kontinentale und amerikanische Lebensform zu positionieren.
Auf dem Nil-Dampfer Karnak befindet sich eben auch die amerikanische Millionenerbin Linnet Ridgeway – auf der Hochzeitsreise mit ihrem minderbemittelten Gatten Simon Doyle. Nachdem schon versucht wurde, sie während einer Tempelbesichtigung mit einem Steinbrocken aus dem Weg zu schaffen, wird sie später in ihrer Kajüte ermordet. Jeder und jede der Mitreisenden hätten ein Motiv und Gelegenheit gehabt – bevorzugte Sünden sind Gier, Erpressung, Rachsucht, Eifersucht, was sich peu à peu entschlüsselt, weil Monsieur Poirot immer im rechten Moment am rechten Platz ist. Aber nur eine bestimmte Person (manchmal sind es auch zwei, manchmal sogar Alle) hat die Tat begangen.
»Tod auf dem Nil« endet melancholisch bis emphatisch mit einem Zitat von Molière: »Die große Ambition der Frauen ist die Ermutigung zur Liebe«.
„Tod auf dem Nil“, GB 1977/78, 134 Min., Wiederaufführung: seit 4. Januar