Almen passen auch auf zwölf Quadratmeter. Schritte, Stimmen, Vögel, eine irgendwie offene Landschaft breitet sich aus in dem vom Künstlerkollektiv [kuʃ] bespielten, kleinen Raum an der Bochumer Straße in Gelsenkirchen-Ückendorf. Man hört die Schafe grasen. Es folgen das Rufen des Goldspechts, der durch den Resonanzraum Schornstein unwirklich und irritiernd klingt, Aufnahmen aus Wäldern und Gehegen, Menschen im Umgang mit der Natur. Und draußen ruckelt unüberhörbar die Straßenbahn vorbei.
»Willkommen in der Oase der Gentrififizierung«, begrüßt Festivalmacher Karl-Heinz Blomann des »Blauen Rauschens« seine Gäste, und meint das nur ansatzweise ironisch. Ganz bewusst sucht das Festival in seiner dritten Auflage Orte, die in einem Wandlungsprozess stecken, und das Ruhrgebiet ist voll davon. Blomann versteht das als besten Humus für die zu hörenden Performances, die allesamt an Schnittstellen operieren. So wie Blomanns eigene Klangarbeit den Übergang von Lebenswelten in den Bergen nachvollziehbar macht, so bewegte sich Kai Niggemann im neuen Ückendorfer soziokulturellen Treffpunkt »Hier ist nicht da« entlang der Grenze zwischen digital und analog.
Das Duo »Corgiat & Akasha« hat zuvor eine fast spirituelle Traumreise aus digitalen Bildern und Klängen entsponnen, die zwischendurch für Bruchteile immer wieder ins Alptraumhafte zu entgleiten scheinen.
In Herne stehen derweil noch Konzerte von sturmherta und Helm sowie ein DJ-Set auf dem Programm. Zum Abschluss folgt die Auswertung eines »Hacklabs« mit dem Electronik-Performer und Ideengeber Peter Kirn. Resonanz und Kartenverkäufe bilanziert Blomann bereits zur Halbzeit als überraschend positiv und blickt daher mit Vorfreude in das kommende Jahr. »Blaues Rauschen« soll größer werden. Fünf Standorte sind in Planung: Neben Essen, Herne und Gelsenkirchen kommen 2023 Bochum und Dortmund hinzu. »Wir müssen uns mehr vernetzen«, sagt Blomann auch mit Blick auf die Region – und meint das in diesem Fall räumlich und ganz analog.