Wir wissen nicht, unter welchem Mondphasen-Einfluss die Düsseldorfer Fachmesse »ProWein« steht. Ob kosmische Konstellationen ihr vom 16. bis 18. März »Blüte-Licht«oder »Wurzel-Erd-Tage« bescheren. Aber wie es um die Frage nach dem wichtigsten Weintrend 2008 bestellt ist, steht nicht in den Sternen. Soviel ist sicher: In der, laut Pressetext, Welthauptstadt des Weins, wo »im Gegensatz zu früher weniger betrunkene Horden Besoffener durch die Hallen irren« (Degustationsnotiz eines Besuchers im Winzerblog), wird die Weinwelt als führendes Zukunfts-Thema den wachsenden Ruhm biodynamischen Weinbaus besingen.
Das Zauberwort für Qualitätswein heißt »terroir«. Leider sind viele Böden lebloser als Saharasand, weil weite Teile des Weinwesens im barbarischen Zustand derChemievergötterung verharren. Wo fiese Reblausbuben der Weinindustrie mit nichtswürdigen Keller-Methoden die Weinwerdung malträtieren, den Rebensaft einem Martyrium der Manipulationen ausliefern und gruselige Frankensteinweine hightechnifizieren. Zudem mit Fässern voll Pestiziden, Herbiziden, Fungiziden und Chemie-Dünger das Leben im Erdreich meucheln, all’ den Mineralien- und Humus-Helferlein im Weinberg den Garaus machen. Wenn aber selbst die segensreiche Regenwurmlosung bester Krümelstruktur dahingerafft ist und der Fadenwurm in seiner Qual verstummt, gab uns ein Gott zu sagen, wie der Wein leidet.
Der wackere Bio-Dynamik-Winzer sät, schneidet, erntet nicht nur zum kosmisch korrekten Zeitpunkt. Er ist ein Bodenheiler. Mithilfe bio-dynamischer Präparate und Kräuteraufgüsse. In homöopathischen Dosen. Wunderelixiere, auf eigenem Mist gewachsen und auf Rudolf Steiners anthroposophischen »Geistigen Grundlagen für die Erneuerung der Landwirtschaft«. Zum Beispiel der Kuhhorndung. Am Tag des herbstlichen Äquinoktiums rollt der Winzer Rindermist-Kugeln, füllt sie in Kuhhörner und vergräbt sie in der Erde. Zur Tagundnachtgleiche im nächsten Frühjahr buddelt er sie wieder aus, löst in Wasser den Dung, verrührt die Brühe erst im Uhrzeigersinn, dann dagegen, zwanzig Minuten lang. Sodann tanzt er durch seinen Rebgarten Eden und versprüht den dynamisierten Dung tröpfchenweise. Eine Lust ihnen zuzusehen, diesen Winzern der Weisheit des Lebendigen. Wenn sie vom Unwetter verängstigte Reben mit Kamillentee und Baldrian-Kompost beruhigen, Schafgarbe-Blümchen in Hirschblasen füllen, Eichenrinde in vergrabenen Haustierschädeln fermentieren und Löwenzahnknöspchen in Kuhgekröse.
Es ist ein Mysterium, vielleicht sind höhere Mächte im Spiel bei diesem lebensfreundlichen Mühen; aber, es lässt sich nicht leugnen: Wirklich herausragende Weine werden oft nach biodynamischen Methoden hergestellt. So entdecken immer mehr Winzer deren Vorzüge. Mancher, der die Biodynamiker als spinnert und ideologisch verhärmt belächelte, erwägt nach dem Verkosten ihrer Tropfen, den eigenen Betrieb umzustellen. Darunter viele Spitzenwinzer. Nicht nur in Frankreich, wo biodynamische Weinbauern seit langem erfolgreich sind; erzeugt werden etwa im Burgund Spitzencrus von Montrachet sowie der Domänen Leroy (Musigny, Clos de Vougeot, Corton-Charlemagne) und Romanée-Conti. Auch unter deutschen Kollegen vermehren sich die Biodynamiker. Stars wie Peter Jakob Kühn aus dem Rheingau, der früher »Technowein« machte, Steffen Christmann vom Weingut A. Christmann aus der Pfalz, Seeger aus Baden oder Pfälzer Vorzeigebetriebe wie Dr. Bürklin-Wolf und Ökonomierat Rebholz.
Die prägende Figur, der fast schon legendäre Wegbereiter und Vordenker ist der Loire-Winzer Nicolas Joly. Dank jahrelanger Kontakte zu dem Düsseldorf-Essener Weinhändler Tony van den Broeke (www.französische-edelweine.de) kommt Joly im Umfeld der Messe am 15. März nach Düsseldorf (Präsidentenschlösschen, Cecilienallee). Er veranstaltet ein Biodynamie-Tasting mit 71 einschlägig zertifizierten Spitzenweingütern seiner Vereinigung La Renaissance des Appellations, der 153 Weingüter aus 13 Ländern angehören (www.biodynamy.com). Auch Nicht-Fachleute können sich hier für 50 Euro durch die Nektare degustieren. Für einen der raren Seminar-Plätze muss man sich schriftlich anmelden (Fax 0221 / 31084789, E-Mail: biodynamie@fischers-wein.com). Nach der Bio-Bacchanalie wird sich der neugeborene Weinwisser glücks-trunken heimwärts speditieren. Vorher aber braucht es ein spontan vergorenes Innovations-Trinklied. Welches hiermit entkorkt sei: »Nach Bio-Reben sollt Ihr streben! / An bio-dynamische Trauben glauben! / Denn Bio macht froh. / Auch den Weinbergfloh.«