INTERVIEW: ALEXANDRA WACH
K.WEST: Warum gehört das Fotobuch ins Museum?
SCHADEN: Letztes Jahr sind mehr Bilder gemacht worden als in der 175-jährigen Fotografiegeschichte davor. Die Prints sind längst museal installiert. Gleichzeitig kann heute jeder ein Fotobuch machen. Durch die massenhafte Verbreitung hat es regelrecht Kultstatus bekommen. Der technische Aufwand ist nicht mehr so groß wie früher. Das Fotobuch ist ein zentrales Ausdrucksmittel geworden, das komplexe Inhalte unserer Gegenwart, aber auch früherer Epochen, zwischen zwei Buchdeckeln zusammenfasst. Es verdient längst eine museale Beachtung. Die Mehrheit der künstlerisch ambitionierten Fotografen schätzt es als konzeptionelles, editorisches und haltbares Statement. Eine Art mobile Ausstellung, die unverändert bleibt. Die jungen Talente, die heute von Belang sind, wie Alec Soth oder Stephen Gill, produzieren alle Fotobücher. Wir wollen dieses Medium sammeln, archivieren, innovativ ausstellen und auch in der Rolle einer frei zugänglichen Austauschplattform nach vorne bringen.
K.WEST: Ein Konzept, das so noch nicht existiert?
SCHADEN: Es gibt weltweit 280 Fotofestivals und Fotomuseen. Das institutionelle Interesse explizit für das Fotobuch kristallisiert sich allmählich heraus. Chris Dercon etwa, Direktor der Tate Gallery of Modern Art, will jetzt die über 60.000 Fotobücher umfassende Sammlung von Martin Parr ins Museum übernehmen, auch weil sein Haus es zuvor versäumt hat, Fotografie in Print-Form zu sammeln.
K.WEST: Die britischen Fotografen Martin Parr und Gerry Badger haben die Kraft des Mediums frühzeitig erkannt und mit ihrem inzwischen dreibändigem Kompendium »Photobook: A History« seit 2004 maßgeblich zum Hype um das Fotobuch beigetragen.
SCHADEN: Sie haben einen Kanon erstellt, um den sich bisher kein Kunstwissenschaftler gekümmert hatte. Die von ihnen empfohlenen Bücher haben bei Sammlern inzwischen einen Fetisch-Charakter erlangt. Martin Parr wird bei uns übrigens einen Vortrag halten und seine Sammlung von Protest-Büchern zeigen. Wir erwarten auch Quentin Bajac, den Direktor der Fotografieabteilung des New Yorker Museum of Modern Art, Chris Dercon, die großen Fotografen Stephen Shore, Daido Moriyama, Susan Meiselas oder die Inderin Dayanita Singh, die auf der letzten Biennale in Venedig den deutschen Pavillon bespielte.
K.WEST: Du hast 20 Jahre lang in Köln eine legendäre Buchhandlung für Fotobücher geführt. Jetzt sattelst Du um. Warum?
SCHADEN: Es ergab ökonomisch keinen Sinn mehr. Es ist nicht so, dass ich eine Minute bereuen würde, dass ich seit 2012 aus dem Einzelhandel raus bin. Ich habe jetzt erst gemerkt, ich hätte die Bücher alle auch verschenken können. Ich bin zum Zwischenhändler für andere Buchhandlungen geworden. Das machte keinen Spaß mehr.
K.WEST: Woher kam der Anstoß zur Idee eines temporären Fotobuch-Museums?
SCHADEN: Julien Frydman, Direktor der Messe Paris Foto, saß in meinem Büro und fragte mich, wie es weiter gehen soll. Er meinte, ich sollte mir einen neuen Status aufbauen, dann könnte ich alle bisherigen Aktivitäten weiterverfolgen. Da ich dem Fotobuch verbunden bleiben wollte, musste ich einen neuen Ansatz finden.
K.WEST: Wie kam die Finanzierung für das »PhotoBookMuseum« zustande?
SCHADEN: Nur mit privaten Sponsoren, ehrenamtlicher Arbeit und Crowdfunding. Unser Ziel von 25.000 Euro haben wir sogar überschritten. Der Kettler Verlag druckt uns alles umsonst. Die BEOS AG stellt uns den Raum im Carlswerk zur Verfügung. Wir haben eine schöne Kooperation mit Kummer & Herrman, die uns das Corporate Design machen. Alle herkömmlichen öffentlichen Stiftungen haben uns eine Absage erteilt.
K.WEST: Worin soll sich die Kölner Veranstaltung von deutschsprachigen Fotofestivals etwa in Kassel oder Wien unterscheiden?
SCHADEN: Wir sind sehr breit aufgestellt. Die Bandbreite des anvisierten Publikums reicht von interessierten Studenten bis zu Museumsleuten und etablierten Fotografen. Neben monographischen wird es historische Ausstellungen in thematisch abgegrenzten Schiffscontainern geben, die Wissen vermitteln sollen. Die Masterclass der berühmten Fotoagentur Magnum ist sicherlich ein Höhepunkt. Es sind Konferenzen, Diskussionen und eine Vorstellung der besten holländischen Buchdesigner geplant. Wir bauen das »Café Lehmitz« nach, das Anders Petersen 1968 auf der Reeper-bahn verewigt hat, und rekonstruieren Chargesheimers »Köln 5Uhr30«, ein radikales Stadtporträt Kölns, das 1970 auf der Photokina zur Ausstellung umkonzipiert wurde. Das Projekt »La Brea Matrix« beschäftigt sich mit der Einflussgeschichte von Bildern in Büchern. Ed Templeton, Fotograf und Skateboarder-Legende, stellen wir draußen neben einer Rampe aus. Die Skater dürfen auch durch die Ausstellung skaten.
K.WEST: Die Laufzeit des Projekts in Köln endet am 3. Oktober. Was passiert danach?
SCHADEN: Im Herbst wird das Museum abgebaut und auf Reisen geschickt. Mit den Containern können wir andocken beim Fotofestival in Arles oder Amsterdams »Unseen«. Die Openair-Veranstaltung »Festival Images« im Schweizer Vevey wollte uns schon dieses Jahr haben. Ziel ist letzten Endes, eine permanente Residenz in der Heimat zu finden, mit einem dauerhaften Programm. Köln wäre für mich als alter Kölner mein Lieblingsort, aber ich bin auch offen, für Tokyo oder wo auch immer.
The PhotoBookMuseum, 18. August bis 3. Oktober 2014. Carlswerk, Schanzenstraße, Köln-Mühlheim. www.thephotobookmuseum.com