TEXT: ANDREAS WILINK
Es gibt sie noch, die guten Menschen und die guten Taten. Mitte des 19. Jahrhunderts im Süden der Vereinigten Staaten gehört einiger Mut dazu, die Gleichheit von Schwarz und Weiß zu vertreten und die künftige Rechtfertigung der Sklavenhaltergesellschaft vor Gott und den Menschen zu prophezeien. Ein braver Handwerker vertritt diese Meinung, der auf der Plantage von Edwin Epps einen Pavillon baut, und weil Brad Pitt ihn spielt, bekommt sein Plädoyer besonderes Gewicht. Er wird Solomon Northup helfen, seine Freiheit wiederzuerlangen und nach Saratoga / New York zurückkehren zu können, zu seiner Frau und seinen beiden Kindern.
Bei einem Besuch in Washington, wo Solomon (Chiwetel Ejiofor) als Geiger auftritt, wird er fälschlich als entlaufener »Nigger« aus Georgia eingesperrt und in Ketten gelegt. Seine Leibeigenschaft bläut man ihm ein. Aus einem Kerkerfenster sieht er für einen Moment das Kapitol – Repräsentanz des »Land oft the Free«, bevor er mit anderen abtransportiert wird gen Süden. In einem eindringlichen Bild wälzt das rote Schaufelrad des Mississippi-Dampfers das Wasser um: Ebenso unaufhaltsam bewegt sich für Solomon die Maschinerie der totalen Entrechtung. In den Augen des weißen Südens sind die Schwarzen keine Menschen, sind Arbeitstiere oder Lustobjekt und dafür dann erst recht der Bestrafung ausgesetzt. Noch sagt Solomon: »Ich will nicht überleben, ich will leben.« Aber diese Haltung wird gebeugt, auf dem Fleischmarkt, wo sie taxiert und stückweise verkauft werden, auf den Baumwoll- und Zuckerrohr-Plantagen, durch die Peitsche, die den Rücken blutig pflügt, durch den Blick auf Gehenkte, Verstümmelte, Geschändete, durch Willkür bedroht, von der stumpfen Hilflosigkeit der Leidensgenossen begleitet. Einmal wird er mit einem Strick um den Hals an einen Baum gefesselt und kann gerade noch mit den Fußspitzen den Boden berühren. Das Leben als Sklave ist ein Balanceakt, immer gewärtig des Todes, abhängig von der Tagesverfassung des Herrn und seiner Misses und ihrer pervertierten Christlichkeit, die mit ihrem »Besitz« aus Fleisch und Blut gemeinsam beten und sie im nächsten Augenblick mitleidlos malträtieren. Michael Fassbender spielt den Plantagenbesitzer Epps als hochfahrenden Herrenmenschen in einer theatralisch ausgeleuchteten, etwas aufdringlichen Performance. Er ist im Vergleich zur Schädlingsraupe, die die Baumwollblüte zerfrisst, die wahre biblische Plage. Steve McQueen stellt sich in seiner Sklaven-Elegie – mehr als im Stil-Manierismus seiner Filme »Hunger« und »Shame« – in den Dienst der Geschichte, die er mit lodernder Dramatik und Emotionalität erzählt.
Regie: Steve McQueen; Darsteller: Chiwetel Ejiofor, Michael Fassbender, Brad Pitt, Benedict Cumberland, Paul Giamatti, Sarah Paulson; USA 2013, 122 Min.; Start: 31. Oktober 2013.