In Wuppertal wird Beuys’ Kunstauffassung auf die Straße gebracht, wenn Anfang Juni Performances den gesamten Stadtraum erobern (Zu sehen werden sie allerdings nur online sein). Währenddessen untersucht eine Ausstellung auf Zollverein in Essen (auch) seinen Bezug zum Ruhrgebiet.
Wuppertal als zeitlose »Oase«
Performance in Wuppertal – das hat Geschichte. Gern erinnert man sich hier an Größen wie Else Lasker-Schüler oder Pina Bausch, die alte Kunstvorstellungen spartenübergreifend entgrenzt und Impulse für performative Neuigkeiten gesetzt haben. Auch Beuys hatte hier einst einen legendären Auftritt zusammen mit Kollegen wie Nam June Paik oder Wolf Vostell beim 24-Stunden-Happening in der Galerie Parnass. Tag und Nacht hockte Beuys da auf einer weißen Kiste. Das Wuppertaler Performancefestival führt diese Tradition nun fort: Zu Beuys‘ rundem Geburtstag lädt man ein Dutzend zeitgenössischer Künster*innen-Kollektive in die Stadt, die in ihren meist eigens für diesen Anlass kreierten Arbeiten mit dem Erbe des Jahrhundertkünstlers umgehen. Darunter etwa das Ensemble »Partita Radicale«, das mit seiner mehrstündigen »Etüde der Langsamkeit« den Raum in eine Oase der Zeitlosigkeit verwandeln will. Oder auch die Künstler*innen von Rimini Protokoll – ausgehend von Peter Bruegels Gemälden, haben sie eine Videoinstallation entworfen, die mit der industriellen Landwirtschaft und ihren Folgen umgeht.
2. bis 6. Juni 2021
Online
www.wuppertal.de/microsite/Beuys-Performancefestival_/index.php
Von unsichtbaren Skulpturen
Was bleibt von Joseph Beuys? Zeichnungen, Skulpturen, Objekte, Installationen? Sicher auch, aber viel mehr als bei den meisten Künstlern sind es Ideen, Gedanken, Fragestellungen, die sein Werk prägen und bis heute erstaunlich relevant scheinen. Diese »unsichtbare Skulptur« rückt die Stiftung Zollverein nun ins Zentrum ihrer Geburtstagsausstellung. Dabei hebt man in Essen gern hervor, dass das Ruhrgebiet durchaus eine Rolle spielte in der Künstlerbiografie. Vor allem Gelsenkirchen, wo sich eine sehr aktive Zweigstelle der Freien Internationalen Universität, kurz FIU, etabliert hatte. Diverse Demos wurden hierorganisiert – gegen Beuys’ Entlassung als Akademie-Professor etwa und für die sich damals formierenden »Grünen«. In Gelsenkirchen wurde der »Erweiterte Kunstbegriff« von Beuys damit direkt auf die Straße getragen.
Die Schau in der eben für Ausstellungen umgebauten Halle 8 auf Zeche Zollverein wird auch auf Beuys‘ Beziehung zum Ruhrgebiet eingehen, um dann aber den Blick zu weiten: Man begegnet dem ökologisch motivierten Künstler, der lange vor seiner legendären Baumpflanzaktion »7000 Eichen« 1982 auf der Documenta das Verhältnis von Mensch und Natur in seiner Kunst problematisiert hat und zu den ersten prominenten Protagonisten der Umweltschutzbewegung zählte. Ebenfalls Thema in Essen ist der bedingungslose Demokrat und Politiker Beuys. Als Gründungsmitglied der »Grünen« wollte er die Gesellschaft verändern und sogar in den Bundestag einziehen. In einem weiteren, von seinem einstigen Meisterschüler Johannes Stüttgen kuratierten Bereich wird sein neues Verständnis von Kreativität beleuchtet – der Kampf etwa für freie Bildung an der Düsseldorfer Akademie, die Beuys für alle Studenten öffnen wollte. Weil solche Fragen aktuell wieder stark diskutiert werden, schlägt die Schau eine Brücke in die Gegenwart: Beuys‘ Gedanken zum Kapital und Geldbegriff etwa tauchen in den Debatten um das bedingungslose Grundeinkommen wieder auf. Und sein Kampf für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur findet in der Fridays-for-Future–Bewegung eine Fortsetzung.
Bis 26. September 2021
Zeche Zollverein Essen