Der Mensch als Geschöpf und Schöpfer, als Kreatur und Créateur, zerrissen zwischen der Verehrung der Natur und dem ständigen Drang, sie nach dem eigenen Bild zu gestalten: Das ist nicht nur der inhaltliche Ausgangspunkt von Beethovens Ballett »Die Geschöpfe des Prometheus« aus dem Jahr 1801 – auch Ben J. Riepes neues genreübergreifendes Projekt setzt hier an. Er hat Gordon Kampe eingeladen, die Musik für eine »transmediale Oper« zu schreiben. Doch welchen Bezug hat der Komponist aus Hamburg zum Musik-Titanen aus Bonn? »Beethoven ist ganz klar einer meiner Favoriten«, sagt Kampe, »wenn ich etwas mit auf eine einsame Insel nehmen müsste, wäre er dabei.«
Ob Beethoven aber tatsächlich in seiner Komposition für Riepes Stück auftauchen wird? »Ich bin kein Fan davon, wegen des Themas nun krampfhaft auf Zitate zu setzen«, schränkt Kampe ein. Eher ginge es um eine Art Haltung, die er in seine Arbeit einbeziehen wolle: »Die Ouvertüre von ‚Geschöpfe des Prometheus‘ ist sehr leicht und quirlig, klingt fast ein bisschen nach spätem Haydn. Das könnte sich in meiner Komposition wiederfinden.« Es war nur eine Frage der Zeit, bis Ben J. Riepe und Gordon Kampe zusammenarbeiten würden. Sie waren bereits Schulkameraden auf der Hibernia-Schule in Herne-Wanne-Eickel, dann studierten beide zeitgleich an der Essener Folkwang-Universität. Der Kontakt bestand als schon früh, nun kam das passende gemeinsame Projekt.
So wie Riepe seine Choreografie aus den Improvisationen seiner Tänzer*innen entwickelt hat, sich in seinen Arbeiten langsam aus einzelnen Bewegungen und Gedanken ein Zusammenhang ergibt, ist nun auch parallel zu den Proben Kampes Komposition entstanden. Er plant mit zwei Live-Musiker*innen zu arbeiten, die Saxofone, Doppelrohrblasinstrumente wie Oboe und Englischhorn auf die Bühne bringen, allerdings ergänzt um elektronische Musik.
Ben J. Riepe hatte sich für die Proben einen ungewöhnlichen Ort ausgesucht. Denn entstanden war die Inszenierung in einem Ratinger Wald (einen Bericht von den Proben lesen Sie hier). Nicht nur, weil Gesang darin eine wichtige Rolle spielt und sich an der frischen Luft die Aerosole schnell verflüchtigen. Die idyllische Naturlandschaft mit ihrer eigenen Aura beeinflusste auch die Arbeit selbst. Ein Experiment. Gordon Kampe selbst war bei den Proben zwar nicht ständig dabei. Dafür bekam er regelmäßig Videoaufnahmen zugesandt. Die Geräusche der Körper in Bewegung, aber auch das Atmen der Tänzer*innen werden nun, elektronisch bearbeitet, zum Ausgangspunkt für die Instrumentalkomposition. Auch die Gesangs- und Stimmimprovisationen der Tänzer*innen liefern Kampe musikalisches Ausgangsmaterial. »Da wurden mir schon ein paar tolle Harmonien geschenkt, in einigen Aufnahmen habe ich spannende Cluster entdeckt, mit denen ich weiterarbeite. Mein Ideal ist, dass es am Schluss egal ist, von wem eine klangliche Idee im Ursprung stammt.«
In der Tradition der Neuen Musik
Gordon Kampe, der bei Hans-Joachim Hespos, Adriana Hölszky und Nicolaus A. Huber studierte, ist fest verwurzelt in der Tradition der Neuen Musik. Oft spielt Humor eine Rolle in seinen Werken, immer steht eine unmittelbar erfahrbare klangliche Attraktion im Mittelpunkt. Er wolle nicht vom hohen Ross herunterarbeiten, biedert sich aber auch nicht an ein Publikum an, sagt Kampe. Der Komponist ist kein neotonaler.
Genauso wie Ben J. Riepe erzählt, dass er durch die Improvisationen seiner Tänzer*innen den Raum seines Bewegungsvokabulars erweitert, schätzt auch Gordon Kampe an der engen Zusammenarbeit, dass sie ihn in klangliche Bereiche führt, in die er allein am Schreibtisch nicht vordringen würde. »Bei ‚Geschöpfe‘ geht es zuerst um Tanz. Ich mache das manchmal ganz gerne, dass ich für ein anderes Metier arbeite, wo ich nicht der Kopf des Ganzen bin«. Denn so gelte es, eine klangliche Umgebung für Riepes Stück zu entwickeln. Aus verschiedenen Ideen entstünde dann die Partitur. »Auch meine Komposition wird eines dieser ‚Geschöpfe‘ werden, das aus verschiedenen Körperteilen besteht. Ich bin gewissermaßen der Frankenstein, der alles zusammenfügt.«
29. Oktober (Premiere), 30. und 31. Oktober, Tanzhaus NRW Düsseldorf, www.thazhaus-nrw.de