Hier geht es nicht hinein. Dem Erweiterungsbau fehlt der Eingang. Denn er ist weder Anfang noch Ende des Museums, sondern Teil eines Rundgangs. Und so etwas wie ein Wendepunkt. 2016 hatten sich Gigon/Guyer Architekten in einem von der Stadt Bottrop ausgelobten Wettbewerb gegen 24 weitere Teilnehmer*innen durchgesetzt. Ihr Entwurf wirkt wunderbar souverän. Und fügt sich gut in das bisherige Museumsensemble und in den Park ein.
Als Maler hatte Josef Albers unermüdlich das Zusammenspiel von Farben und (quadratischen) Formen erprobt. Das Quadrat als Grundriss war für Annette Gigon aber keine Option, dessen Innenraum sei zu starr für die Kunst, wie sie sagt, das Rechteck dagegen »gutmütiger«. Wie schon beim bisherigen Gebäude haben Gigon/Guyer schwarz-braune Stahlelemente verwendet, doch anders als beim Bestand kaschieren ihre großformatigen Paneele die Konstruktion des zweigeschossigen Baukörpers, der fest auf dem Boden sitzt. Erschlossen wird der Neubau über eine Verbindungsbrücke, dunkel verkleidet wie ein Tunnel, führt sie ins Licht. Der mäandrierende Rundgang durch die acht Ausstellungssäle im Obergeschoss nimmt den Gedanken des Flanierens im Park auf. Im Erdgeschoss liegen Räume für Museumspädagogik, Werkstatt, Bibliothek und Depot.
Mit großer Perfektion sehr diskret gestaltet, dient die Architektur der Kunst. Nichts stört, die Technik verschwindet in zwei aufgedoppelten Innenwänden. Vier großformatige Kastenfernster, eines in jede Himmelsrichtung, machen den Neubau zum Teil des Ganzen. Unterschiedliche Kunst- und Tageslicht-Szenarien können mit LED-Bändern sowie textilen Verdunklungs- und Sonnenschutzstoren, die vor die raumseitig geätzten Scheiben der Dachfenster fahren, auf Knopfdruck erstellt werden. Was nicht gebraucht wird, liegt verborgen in der Geometrie des Sheddachs. In der Ansicht bleibt das Shed verborgen, es sei »zu industriell in der Anmutung«, sagt Annette Gigon. So scheint die Dachkante an der langen Nord-Ost-Seite herunterzuklappen. »Der Kragen«, der die Zacken verdeckt, aber noch Licht in das letzte Shed einfallen lässt, ist ein schöner Moment – jenseits des rechten Winkels.
Für Bottrop hat das Museumszentrum Quadrat eine große Bedeutung, ihr kulturelles Rückgrat stützt die ehemalige Steinkohlestadt auch während des schwierigen Strukturwandels. Aber wie kann das gehen, dass eine Stadt mit vielen Sorgen, aber ohne Geld so viel in Kultur investiert? Geschickt hat Oberbürgermeister Tischler das hinbekommen, er hat sich die knapp 13 Millionen Euro da geholt, wo sie für diesen Zweck verfügbar waren. So wurde der Bau aus Bundes- und Landesmitteln finanziert, sowie von Stiftungen der Industrie, dem LWL Landschaftsverband Westfalen-Lippe und The Josef & Anni Albers Foundation. Kompromisse musste die Stadt hier anscheinend keine eingehen, kein Logo, keine Werbung, keine Farbigkeit als Hinweise auf Sponsoren, dafür große Dankbarkeit. Vielleicht ein Modell, das man in Zukunft häufiger sehen wird, grade weil es sich nicht als Werbepartnerschaft zu erkennen gibt.
Hommage zum Abschied
Ein Quadrat, im Quadrat, im Quadrat. Als Maler erprobte Josef Albers das Zusammenspiel der Farben in der berühmten Serie »Homage to the Square«. Unermüdlich: In fast 30 Jahren schuf er mehr als 2000 Bilder mit nahezu identischer Komposition. Nur die Farben variieren. Zur Einweihung des neuen Erweiterungsbaus rückt das Josef Albers Museum Quadrat diese vielbeachteten Farbexperimente ins Zentrum einer großen Ausstellung. Rund 90 herausragende Beispiele aus dem Zyklus werden zu sehen sein, dazu Werke von Paul Cézanne, Giogrgio Morandi, Ad Reinhardt und Donald Judd – Künstler, deren Schaffen eng mit dem von Josef Albers verbunden ist. Mit dieser großen letzten Schau verabschiedet sich der langjährige Direktor Heinz Liesbrock in den Ruhestand. STST
bis 26. Februar 2023