TEXT: REGINE MÜLLER
Am Aalto-Theater endet mit Verdis »I Masnadieri« nach Schillers sturmdrängenden »Räubern« eine Ära. Mit der letzten Premiere der 16-jährigen Amtszeit von Intendant und GMD Stefan Soltesz kommt auch das Essener Wirken von Dietrich Hilsdorf an seinen Schluss, der in der Eröffnungsspielzeit 1988 hier seinen ersten Verdi inszenierte und zum Finale seine 19. Inszenierung am Stammhaus vorlegt. Kaum ein Regisseur hat die Opernlandschaft Nordrhein-Westfalens in dieser Zeit ähnlich geprägt wie Hilsdorf. Für »I Masnadieri« wurde das Team von 1988 reaktiviert: Bühnenbildner Johannes Leiacker und Dramaturg Norbert Grote lieferten damals mit Hilsdorf heißen Stoff für einen Theaterskandal, der lange nicht abebben sollte.
Doch »I Masnadieri« regen heute niemanden mehr auf: Leiackers riesiger, schwarz marmorierter Saal erinnert an ein Fabrikanten-Palais wie die Villa Hügel der Krupps oder das Foyer einer gediegenen Bank. Hilsdorf deutet – inzwischen schon klassisch – die Räuber als heutige Anzug-Täter der Finanzbranche. Die bei Verdi und seinem Librettisten ziemlich zergliederte Handlung in drei Akten teilt Hilsdorf in zwei Blöcke, die er »Familienbande« und »Ausweitung der Kampfzone« übertitelt. Versiert und souverän führt er das Personal und die Chöre, wenn sie nicht gerade unsichtbar vom dritten Rang tönen. Der Familienkonflikt mit politischen Dimensionen schnurrt gekonnt ab, jede Geste sitzt, jeder Blick sticht. Sbroljub Dinic am Pult entfacht Verdi-Brillanz mit hoher Präzision und Schlagkraft; dennoch will der Abend bei aller Meisterschaft nicht recht zünden. Was wohl auch am frühen Verdi liegt, dessen Timing und Psychologie hier noch nicht ganz auf künftiger Höhe angelangt sind. Dennoch: Ein sehenswerter Verdi-Abend mit beachtlichen, teils grandiosen Sängerleistungen – wie der von Aris Argiris als machtgierigem Franz Moor.