TEXT: INGO JUKNAT
Die Geburtstagsparty findet im Wohnzimmer statt. Genauer gesagt, im Hinterzimmer des »Salon Schmitz«, einer nostalgisch angehauchten Bar im Belgischen Viertel. Zehn Jahre »c/o pop« gilt es zu feiern. Etwa 50 Gäste sind gekommen. Sie sitzen dicht gedrängt auf Retrosesseln, zwischen Bommellampen und Brötchenbuffet. Zwischendurch, immer wieder: Umarmungen, Schulterklopfen, Winken. Man kennt sich in der Kölner Musikszene, hat einiges zusammen durchgemacht.
Besonders schlimm war es vor zehn Jahren. Da hatte sich die »Popkomm« gerade nach Berlin verabschiedet. Es war nicht der einzige Verlust. Neben der Musikmesse hatte auch Viva TV rübergemacht, das renommierte Spex-Magazin und ein Teil der Plattenlabels sollten folgen. Es waren bittere Zeiten. Die rheinische Musikmetropole drohte zum Provinznest zu werden. Immerhin – nicht alle erlagen dem Sog aus Berlin. Der musikaffine »Intro«-Verlag begnügte sich mit einem Büro in der Hauptstadt, die Zentrale blieb in Köln. Die wichtigste Plattenfirma der Stadt hielt ebenfalls die Stellung. In diesem Jahr feiert »Kompakt« seinen 20. Geburtstag (siehe K.WEST 05/13).
Und dann war da noch die »c/o pop«. Das neue Festival sollte die Lücke der Popkomm füllen und Köln zurück auf die Landkarte der Musikfans bringen. Vor lauter Ambitionen wären die Veranstalter beinahe übers Ziel hinausgeschossen. Drei Wochen dauerte die c/o pop-Premiere im Jahr 2004, am Ende war eine Menge Geld verbrannt. »Wir hätten uns damals fast übernommen«, gibt Gründungsmitglied Norbert Oberhaus inzwischen zu. Die nächsten Jahre waren geprägt von Versuchen, das Programm realistischer zu gestalten und der c/o pop ein eigenes Profil zu verleihen. Mal stand avancierte elektronische Musik im Vordergrund, mal durften Radio-Acts wie Wir sind Helden oder Philipp Poisell ran.
In den besten Jahren war das Festival wie ein Pop-Radar, das zukünftige Stars anzeigte. Paul Kalkbrenner, heute quasi Stadion-DJ, legte auf der c/o pop vor 200 Leuten auf. Jubiläumsgast DJ Koze wiederum stand im kleinen Studio 672 hinter den Reglern. Heute trägt er seine Musik in die halbe Welt.
UND WIEDER ZIEHT DIE KARAWANE WEITER
Das Festival selbst machte derweil eine Stadtrundfahrt. Die Bühnen wechselten von Jahr zu Jahr, nicht immer freiwillig. Viele der alten Spielorte stehen nicht mehr zur Verfügung. Die ehemalige Festivalzentrale im »RheinTriadem« ist nun Edelimmobilie für Rechtsanwälte und Unternehmensberatungen, das Schauspiel Köln wird saniert, und im Staatenhaus an der Messe läuft in diesem Jahr ein Musical. Und so muss die Karavane 2013 erneut weiterziehen. Das Festival findet nun vor allem im Belgischen Viertel statt. Das Epizentrum liegt am Stadtgarten. Hier steigt u.a. die Jubiläumsparty von »Kompakt« – mit Auftritten von DJ Koze, Michael Mayer und Matias Aguayo wahrscheinlich das Highlight des Festivals.
Ansonsten setzt die c/o pop in diesem Jahr eher auf Geheimtipps. Zum Teil notgedrungen. Für die ganz großen Namen fehlt das Geld. 2013 ist nicht 2004, es sind schwierige Zeiten, Jubiläum hin oder her. Die Künstlergagen sind in den letzten zehn Jahren massiv gestiegen. Frühere c/o pop-Gäste wie Franz Ferdinand oder Phoenix sind heute kaum noch bezahlbar. Und so muss Programmleiter Tobias Thomas mit den Mitteln arbeiten, die er hat. Die Konzerte auf der c/o pop nennt er ein »Gourmet-Menü«.
Es klingt ein bisschen euphemistisch und doch nicht falsch. Statt auf Blockbuster-Konzerte setzt sein Festival auf besondere Künstler an besonderen Orten. Da wäre, zum Beispiel, der Berliner DJ Apparat. Er stellt seine hippe Musik im betont unhippen Millowitsch-Theater vor. Die dänische Band Efterklang darf in der Philharmonie spielen, und manch kleinere Band nutzt die Schaufenster der Modeshops im Belgischen Viertel als Bühne. Für den Nachwuchs gibt es wiederum ein kleines, von Anke Engelke moderiertes, Familienprogramm namens »c/o Pänz«.
Wie bei der Popkomm, sind die Konzerte nur ein Teil des Festivals. Der Rest dreht sich ums Geschäft – oder um das, was davon übrig geblieben ist. »Creativity and Business Convention« (C’n’B) nennt sich die Schwesterveranstaltung der c/o pop. Bezeichnenderweise hat sich das Verhältnis von Geschäftsteil und Livemusik inzwischen umgedreht. War die Popkomm eine Messe mit Konzerten, so wirkt die C’n’B heute eher wie ein Anhängsel zum Bühnenprogramm. Aber vielleicht muss das so sein. Für einen kleineren Messeteil spricht schon das Beispiel der Popkomm selbst. In den Berliner Jahren schrumpfte sie immer mehr, seit 2012 ist die einst größte Musikmesse der Welt offiziell tot. Kein Grund für Schadenfreude. Dass die Musikkrise alle Beteiligten betrifft, wissen sie in Köln natürlich auch. Und welche Antworten die C’n’B hat, muss sich erst noch zeigen. Redner und Tagesordnung standen bei Redaktionsschluss noch nicht fest.
ZUR MUSIK DIE DROHNEN
Generell will die C’n’B »digitales Entertainment, Musik und Kreativwirtschaft zusammenbringen«. Im Zentrum steht die immergrüne Frage, wie mit Musik wieder Geld verdient werden kann. Für das Konzept ist Ralph Christoph verantwortlich – wie Tobias Thomas ein ehemaliger Spex-Mitarbeiter. Was es mit der vielbeschworenen Kreativwirtschaft eigentlich auf sich hat, will jemand beim Treffen im Salon Schmitz wissen. »Alles, was euer Leben lebenswert macht«, sagt Christoph ohne Anflug von Ironie. Für eine Veranstaltung mit so universellem Anspruch lief seine C’n’B in den letzten Jahren eher holprig. Da hat es durchaus Sinn, dass sie in diesem Jahr einen neuen Partner hat. Bei der »Media Kultur Köln GmbH« könnte die » C’n’B « tatsächlich gut aufgehoben sein. Immerhin organisiert die Agentur mit der »Gamescom« die größte Videospiel-Messe der Welt. Mit dem neuen Partner wechselt auch die Adresse. Zum Neustart rückt die C’n’B geografisch ins Festivalzentrum. Vom Staatenhaus an der Messe geht es in den Kölnischen Kunstverein und in die Räume der Fritz-Thyssen-Stiftung. Es sind zwei weitere dieser »Ex-Räume« in Köln. Früher waren hier das British Council bzw. Amerikahaus untergebracht.
Zu C’n’B und c/o pop gesellt sich in diesem Jahr erstmals eine lose verbundene, dritte Plattform. »Interactive Cologne« soll Programmierer, Webdesigner und Technikfreaks aus Köln und Umgebung zusammenbringen. Die Ziele der verschiedenen Workshops sind weniger arkan, als die Titel vermuten lassen. »Nodecopter Hack Track«, zum Beispiel, befasst sich mit zivilen und spielerischen Anwendungen programmierbarer Drohnen. »3D Printing Hack« soll die Benutzerfreundlichkeit von 3D-Druckern verbessern. »Musik Hack« wiederum erforscht neue Kanäle für Musik im Netz. Richtig exotisch wird es nur bei der Veranstaltung »Rails Girls Cologne«. Der Programmierkurs richtet sich an eine Zielgruppe, die auf Hackertreffen wie diesem bisher kaum in Erscheinung trat: Mädchen.
c/o pop: 19. bis 23. Juni 2013, Köln. www.c-o-pop.de. Interactive Cologne: 17. bis 23 Juni 2013. www.interactive-cologne.com