Wenn Sie ans Tanzen denken, woran denken Sie als erstes? An ein oder zwei Menschen, oder doch an eine ganze Gruppe, die sich zur Musik bewegt? Und woran denken Sie, wenn es um Zirkus geht? An Clowns, Akrobat*innen und dressierte Tiere? Auf die verzichtet das Circus Dance Festival in Köln ganz und verbindet dafür Tanz und Zeitgenössischen Zirkus. »Grundsätzlich geht es bei beiden Disziplinen um den Körper, ob nun durch Artistik in den Himmel gehoben oder eben verortet im Raum beim Tanz«, sagt Festivalleiter Tim Behren. Circus Dance frage nicht nur nach unseren Körpern, sondern auch, wer genau zu den Performer*innen auf der Bühne gehört. Und wer sonst noch tanzen könnte – außer Menschen.
Marija Baranauskaitė bindet nicht nur Sofas in ihre Performances mit ein, sie hinterfragt, ob wir als Publikum überhaupt noch notwendig sind. Ihr »Sofa Project« ist für ein »unbelebtes Publikum« konzipiert: sozusagen von Sofas für Sofas gemacht. »Sie stellt damit spielerisch philosophische Fragen«, sagt Behren über die litauische Performerin. Etwa, was genau es brauche, um ein*e Performer*in oder Teil des Publikums zu sein? Baranauskaitė bezeichnet sich selbst als Konzept-Clownin und lotet die Grenzen zwischen Zirkus, Tanz und eben philosophischen Diskursen aus, wenn sie das menschliche Publikum bittet, sich vor, hinter oder zwischen dem Hauptpublikum, den Sofas, zu verstecken, um ihre Performance für das weiche Möbiliar nicht zu stören.
Doch nicht nur unsere liebsten Freunde des mittäglichen Nickerchens werden von ihr in den Fokus gerückt. In ihrer Performance »The Duck Show Performance« fragt sie, wie es Teichenten geht, wenn sie unverhofft in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt werden. Doch seien Sie nicht beunruhigt, auch Sie als Menschen dürfen Zuschauer und Besucher des Circus Dance Festival werden! Tim Behren ist nicht nur dessen Kurator, sondern auch selbst Choreograph und künstlerischer Leiter der gastgebenden Kompanie »Overhead Project«. Für ihre Arbeit zwischen Zeitgenössischen Zirkus und Tanz waren sie 2022 mit dem Tabori-Preis vom Fond Darstellender Künste ausgezeichnet worden. Bei ihrer Performance »What is left« hinterfragt die Kompanie, wie wir uns im öffentlichen Raum der Gesellschaft positionieren. »In dem Stück arbeiten Akrobat*innen mit Tänzer*innen zusammen«, sagt Behren, »gemeinsam vermessen sie in alle Richtungen den Raum«. Auch dadurch würden Grenzen zwischen Tanz und Akrobatik verschwimmen. Dafür stünde nicht nur seine Kompanie selbst, sondern das gesamte Circus Dance Festival.
Insgesamt 23 Arbeiten und 34 Vorstellungen sind auf dem Festivalgelände An der Schanz im Kölner Norden geplant und werden von Podiumsdiskussionen, Filmabenden, Konzertperformances und Festivalpartys begleitet. Darunter gibt es Perfomances von Elena Zanzu, Alexander Vantournhout oder der Compagnie Barks zu sehen, die sich mit Gleichgewicht und Fallen, mit Körper und Gesellschaft beschäftigen. Und wer sich immer noch nicht entscheiden kann: Das Eröffnungswochenende am 20. und 21. Mai findet umsonst und draußen, rund um das Haus der Architektur auf dem Joseph-Haubrich-Hof, statt. Wenn das kein Grund ist, das Mittagsschläfchen auszulassen und die heimische Couch zu verlassen. Oder Sie gehen eben gemeinsam hin.
20. bis 29. Mai 2023, verschiedene Orte in Köln