Der Regisseur verkauft uns für dumm. Als Arthur Millers »Hexenjagd « während der von Senator McCarthy betriebenen Kommunisten- Verfolgung in den USA 1953 uraufgeführt wurde, begriff jeder die Verbindung, obgleich das Drama 1692 in Salem situiert ist, als dort – in Massachusetts – wegen vermeintlicher Teufelsverschreibung Menschen vor Gericht gestellt wurden und eine ideologisierte Rechtsprechung die Opfer hinrichten ließ. Auch später, in Shanghai, verstand man, dass das Lehrstück mit dem brutalen Rigorismus der Kulturrevolution zu tun haben könnte, auch ohne dass Mao-Kittel mitspielten.
Zwar verband den jüdischen Autor mit dem Puritanertum amerikanischer Prägung kaum etwas, was ihn aber nicht an der Erkenntnis hinderte, dass die »Neu-Hebräer« der Neuen Welt ebenfalls ein exklusives Verhältnis zu Gott und der Wahrheit zu haben glaubten.
Im Kölner Schauspielhaus macht ein schreiendes Ensemble zwei Stunden lang kurzen Prozess mit dem eigenwillig gestutzten und mit Büchners »Danton« gestützten (»Wo die Notwehr aufhört, fängt der Mord an«) Drama, indem es in einem Michael-Moore-Amerika eine Art jugendfanatischer Heilsgewissheit penetrant (und penetrant hässlich kostümiert) zur Schau stellt. Pastor Parris, dessen Nichte Abigail (Kathi-Angerer-mäßig von Olivia Gräser hingecastorft) sich als Belastungszeugin aufspielt, hat ’ne E-Gitarre bei der Hand und sieht aus wie ein versehentlich in die Charles-Manson-Gang geratenes Bürschchen. Das reicht aber als Aktualisierungsmaßnahme (siehe oben) noch nicht aus, weshalb Videos christlich fundamentalistische Sekten zeigen, die ihre Parolen vom Gottesstaat, von Bushs Heiligem Krieg und einer spirituell zu seienden Politik herausposaunen. Weil sich aber der Schaum vorm Mund nur schwer spielen lässt, kauen und knacken die Darsteller Kapseln, damit es hübsch aus ihren Mündern oder Hosenlätzen geifert. Die in ihren Mitteln niederschmetternd aufdringliche Inszenierung des Sebastian Baumgarten, der sich demnächst für Amélie Niermeyer in Düsseldorf bei Sartre »Schmutzige Hände« macht, lässt für den quietschigen Teenie-Scream-Horror die Comic-Püppchen tanzen und Wände wackeln. Gegenüber dem Trash und Tohuwabohu auf offener Szene war selbst das schon ziemlich dürre »Blair-Witch-Projekt« im Kino aufregend. AWI