TEXT: SASCHA WESTPHAL
Gelegentlich schwebt ein aufgeblasener Plastikhai durch das seit Monaten leerstehende Alte Neue Rathaus, das Ulrich Greb für seine Inszenierung von Henrik Ibsens Politgroteske kurzerhand ins »Bad Moers« verwandelt. Die Botschaft ist eindeutig, aber durchaus im Sinne des Norwegers. Hat er doch die Verstrickungen von lokaler Politik und wirtschaftlichen Interessen scharf angegriffen.
Auf der einen Seite steht mit dem um Anerkennung buhlenden Kurarzt Tomas Stockmann (Patrick Dollas) ein fehlgeleiteter Idealist, der zwar den Volksfreund spielt, sich aber in Wahrheit als feuriger Volksverächter entpuppt. Ihm gegenüber bildet sich eine unheilige Allianz zwischen Tomas’ Bruder, dem machtversessenen Bürgermeister Peter Stockmann (Matthias Heße), und zwei karrieristischen Medienvertretern, die sich zunächst Tomas’ Sache auf die Fahnen schrieben. Der Politik wird die Abrechnung überreicht. Die Regie greift die holzschnittartigen Charakterisierungen bereitwillig auf und geht noch einen Schritt weiter ins Groteske.
Die volksmundige Erkenntnis, dass Politik schmutzig sei und Geld die Welt regiere, kann jemanden wie Tomas Stockmann in Wut versetzen oder wie den wetterwendigen Redakteur Hovstad (Frank Wickermann) zum Opportunisten werden lassen. Doch wenn man durch die verlassenen Gänge und Treppenhäuser des verwaisten Rathauses geht, erfasst einen tiefe Melancholie. Menschliches Streben wirkt auf einmal klein und vergeblich. Dazu passt die von Greb und seinem Team hinzuerfundene Schlussszene. Tomas Stockmann ist seit fünf Jahren verschwunden, das Kurbad blüht und gedeiht. Nun huldigt selbst Peter dem verlorenen Bruder. Aber das Gewehr, mit dem er während des Festakts in den Innenhof schießt, spricht eine andere Sprache: Kain und Abel als Provinzfall.