TEXT: INGO JUKNAT
Es kommt, wie es kommen musste. Der Abspann ist noch nicht vorbei, da rührt sich schon Empörung. Weil die Navy Seals Osama bin Laden erschießen, statt anzuklopfen und ihm seine Rechte vorzulesen. So geht das nicht in einer Demokratie, als ob hier ein Temposünder auf der Autobahn gestoppt worden wäre. Wahr ist: Auch Mörder von 3000 Menschen haben Recht auf einen Prozess, und ob bin Laden eine Waffe in der Hand hält, lässt der Film offen. Der Rest ist umso klarer. Die Navy Seals werden durch geschlossene Türen beschossen. Einer der Hubschrauber ist abgestürzt, und vor Osamas Versteck hat sich ein Mob gebildet, der sich den bestenfalls 30 US-Soldaten nähert. Regisseurin Kathryn Bigelow fängt diese Bedrohung so meisterhaft ein, dass sich die Beklemmung auf uns überträgt. Der Film lässt keinen Zweifel daran, dass die nächsten Minuten über Leben und Tod entscheiden, nicht zuletzt über den des Kommandos. Gleichzeitig ist die Inszenierung so anti-triumphalistisch, wie es nur geht. Keine aufpeitschende Musik begleitet den Angriff, keine Sprüche, kein Abklatschen. Stattdessen: Dunkelheit, Verwirrung, schreiende Frauen und Kinder, Blut, Schüsse, Elend.
Auch der Vorwurf, »Zero Dark Thirty« rechtfertige Folter, erweist sich als absurd. Die entsprechenden Szenen sind ebenso grausam wie sinnlos. Alle Hinweise, die CIA-Agent Dan (Jason Clarke) von seinem Gefangenen durch waterboarding, Schläge und Demütigungen erhält, stellen sich als falsch heraus und verhindern die Anschäge der nächsten zehn Jahre nicht. Erst ein Täuschungsmanöver erbringt einen wertvollen Hinweis auf den Verbleib von bin Laden. Selbst dann ist es nur ein Puzzleteil von vielen, das die Spezialeinheit unter Leitung von Maya Lambert (Jessica Chastain) zusammenfügen muss. Über weite Strecken handelt der Film auch eher von verpassten Chancen, Rückschlägen und Pannen. Dass bin Laden am Ende doch gefunden wird, so der Film, liegt nicht Folter oder Hightech-Aufklärung, sondern dankt sich Beharrlichkeit und Glück. Die Kosten dafür waren hoch. »Zero Dark Thirty« erklärt niemanden zum Helden und zeigt Folter als unmenschlich und sinnlos. Gleichzeitig macht er sich nicht die schräge Perspektive zu eigen, aus der Schurken und die, die sie jagen, gleich aussehen. Darin liegt seine Brillanz.
»Zero Dark Thirty«; Regie: Kathryn Bigelow; Darsteller: Jessica Chastain, Jason Clarke, Joel Edgerton, Jennifer Ehle, Mark Strong, Kyle Chandler, Edgar Ramirez; USA 2012; 156 Min.; Start: 31. Januar 2013.