»We are die gute Ordnung« heißt es in einem der Songs von Fehler Kuti alias Julian Warner. Eine »gute Ordnung« wäre eine, in der Polizeikräfte verdachtsunabhängige Personenkontrollen nicht aufgrund des Aussehens oder der Hautfarbe von Menschen durchführen würden. Doch davon ist die Bundesrepublik noch weit entfernt. Das weiß der Performer und Musiker Julian Warner aus eigener Erfahrung. Also hält er der Wirklichkeit eine Vision entgegen, die unsere Gesellschaft von innen heraus verändern will.
In »The History of the Federal Republic of Germany as told by Fehler Kuti und die Polizei« verwandeln sich er und seine Band in Ordnungskräfte und arbeiten so an einem Wandel. »We are die gute Ordnung«, und ihr könnt euch uns anschließen.
Julian Warners Konzertperformance ist eine der Produktionen, die beim Impulse Theater Festival als Stream gezeigt werden. Aber sie ist noch viel mehr als nur ein Teil des Festival-»Showcases«, das auch in diesem Jahr aufgrund der Pandemie-Situation weitgehend digital stattfinden wird. In Warners Performance, die auch etwas von einem Ritual, einer kollektiven Teufelsaustreibung, hat, spiegelt sich die Idee und Ausrichtung der Impulse.
Haiko Pfost, der das wichtigste Festival der Freien Szene in Deutschland seit 2018 leitet, versteht Theater immer als Arbeit an den bestehenden Verhältnissen. Die Gastspiele der Impulse legen den Finger in gesellschaftliche Wunden und fordern das Publikum auf, sich und die Welt mit anderen Augen zu betrachten. Sich einfach zurückzulehnen, ist im Rahmen des Festivals nicht möglich. Man muss sich einbringen und vielleicht auch angreifbar machen. Nur so können wir Teil einer »guten Ordnung« werden. Dieser Gedanke steht auch hinter Ülkü Süngüngs Performance »Takdir. Die Anerkennung«, die am 5. Juni auf dem Ebertplatz in Köln stattfinden wird. Um an die Opfer des NSU zu erinnern, bietet die Künstlerin Passanten kurze Sprachkurse an, in denen sie lernen, die Namen der Ermordeten korrekt auszusprechen.
2020 wurde Haiko Pfost kurz nach der Bekanntgabe des Programms mit dem ersten Lockdown konfrontiert und musste das Festival schließlich ganz in den digitalen Raum verlegen. In diesem Jahr sollte es eigentlich anders werden. »Wir haben viele Pläne geschmiedet«, erzählt Pfost, »für Open-Air-Bühnen und Public Viewing; haben Ausstellungskonzepte und Produktionen im öffentlichen Raum entwickelt und natürlich die Hygienekonzepte ständig adaptiert«. Die Entwicklung der Pandemie hat einen großen Teil dieser Pläne durchkreuzt. Allerdings kann das Festival in einer hybriden Form stattfinden – nicht alle Inszenierungen lassen sich streamen.
Da die meisten Gastspiele des »Showcase« digital stattfinden werden, verschieben sich die Gewichte innerhalb des Festivals. In früheren Jahren standen die Akademie-Programme, die diesmal in Düsseldorf beheimatet sind, und das Stadtprojekt, das 2021 in Mülheim an der Ruhr realisiert wird, im Schatten der prominenten Gastspiele. Diesmal erregen die beiden Akademien, die sich unter den Überschriften »Geschichte wird gemacht« und »Lost in Space« mit der Archivierung freier Theaterkunst sowie mit dem Körper im Spannungsfeld zwischen realem und digitalem Raum beschäftigen. Aber seinen größten Coup hat das Festival mit dem vom Club Real konzipierten Stadtprojekt »Die große Schere« gelandet. Am 13. Juni wird direkt an der Schlossbrücke in Mülheim eine riesige Skulptur enthüllt, die den Blick auf drastische Weise auf die ungleichen Vermögensverhältnisse innerhalb der Stadt lenkt.
Impulse Theater Festival
2. bis 13. Juni 2021