TEXT: ANDREAS WILINK
Deutschland 1990, das Ende der DDR. Nachrichten-Stimmen aus dem Off setzen im Vorspann den historischen Rahmen. Dann sehen wir eine Frau, die sich ihr blondes Haar unter einer schwarzen Perücke versteckt, unterwegs mit Flugzeug, Zug und Taxi. Sie kommt an im Gemäuer einer sächsischen Stadt – einem ehemaligen Kinderheim mit dem euphemistischen Namen »Sonnenwiese«. Die Frau sucht ein Archiv auf und entfernt heimlich den Namen »Hiltrud Schlömer, Schwester« aus einer Liste. So könnte ein Hitchcock beginnen – mit »Marnie« verlief es nicht viel anders. Und auch in »Zwei Leben« teilt sich der zerrissene Vorhang. Nach diesem Prolog wird ein normales Leben sichtbar: ein Familienleben in Norwegen als Ehefrau, Mutter, Großmutter und Tochter. Katrine Myrdal (Juliane Köhler) war scheinbar Opfer des Nazi-Lebensborn-Projekts: Kind eines deutschen Vaters, der an der Ostfront fiel, und einer norwegischen Mutter, Ase Evensen, die nach dem Krieg für ihre Liebe geächtet wurde. Die Tochter war ins Dritte Reich zwangsadoptiert worden.
Ein deutscher Anwalt (Ken Duken) will dieses Unrechts-Kapitel aufarbeiten und Klage am Europäischen Gerichtshof führen. Er stößt auf die Myrdals / Evensens und auf eine Spur, zurück in die DDR und zu Machenschaften der Staatssicherheit, die vorgebliche Lebensborn-Kinder als Agenten nach Norwegen schleuste. Auch Katrine war Stasi-Mitarbeiterin, angeworben und nun unter Druck gesetzt vom Geheimdienst-Offizier (der unergründliche Rainer Bock, der schon Petzolds »Barbara« überwachte). Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert handelt von gefälschter Identität, gestohlener Biografie, Schicksalsbrüchen, Verbrechen, Schuld (die »echte« Katrine wurde aus dem Weg geschafft) und Sühne.
Georg Maas neigt dazu, die ohnehin vertrackte Story durch elliptisches Erzählen zu verkomplizieren, didaktisch lehrbuchhaft zu inszenieren und mit schneeigen Rückblende-Bildern wie aus dem Fernseher gewissermaßen authentisch zu dekorieren. Mit der Schauspiel-Legende Liv Ullmann (als Mutter Evensen) weiß er nichts anzufangen; sie bleibt Statistin mit staunendem Gesichtsausdruck. Die Frage hinter allem heißt: Was ist die Wahrheit eines Lebens? Kann etwas richtig sein, das so falsch war wie das der vermeintlichen Katrine? Noch einmal soll sie lügen – ihre Familie verraten, um nach Kuba zu flüchten und das Staatsgeheimnis zu wahren. Sie entscheidet sich, aufrichtig zu sein. Am Ende steht ein Trümmerbild und ein Brandopfer. Übrigens gab es diese von der DDR nach Norwegen eingeschleusten Spione tatsächlich.
»Zwei Leben«; Regie: Georg Maas; Darsteller: Juliane Köhler, Liv Ullmann, Ken Duken, Sven Nordin, Rainer Bock; Deutschland 2013, 100 Min.; Start: 19. September 2013.