// Die Bildassoziation ist rein zufällig, aber sie entsteht im medialen Raum wie von selbst. Deshalb dachte manch einer im Kölner Opernhaus bei den chaotisch zersplitterten, übereinander geschichteten Latten und Platten im zweiten Akt des »Tristan« an das kollabierte Stadtarchiv. Der Unterschied ist freilich ebenso manifest: Im Kölner Schuttberg lassen sich immer noch kapillarfein Spuren eine tausendjährigen mitteleuropäischen Kultur nachweisen, während die Wagner-Bühne von Robert Israel selbst im dekonstruktivistisch dekorierten Liebesduett der Protagonisten erstaunlich eindimensional bleibt. Der poppig bunt beleuchtete Kinderspielplatz der Gefühle wirkt wie die MySpace-Website eines Baumarkts, während die Rahmenakte mit Versatzstücken gehobener Wohnkultur spielen: edelgrauen Tüchern, Segeltuchvorhängen, einem angedeuteten Schiffsleib, gedrechselten Säulen, gesägten Granitblöcken.
Solche zeichenhaften Räume, die den englischen Regisseur David Pountney vermutlich an heimatliche Kultstätten erinnern, werden von den Personen der »Handlung«, wie Wagner sein Musikdrama nannte, mit konventionellem Chargentheater ausgefüllt. Pountney, der Bernd Alois Zimmermanns »Soldaten« bei der RuhrTriennale mit Verve und Phantasie in die Bochumer Jahrhunderthalle projizierte, bleibt ausgerechnet beim »Tristan« eng und fantasielos. Wenn er im dritten Aufzug die ohnehin schleppende Aktion gänzlich einfriert und die Figuren als statische Skulpturen wie auf der Osterinsel dastehen, bleibt das ein schönes Konzept, das keine theatralische Kraft, keine Magie findet.
Ein glücklicher Abend war das nicht, auch nicht für die Isolde von Annalena Persson mit ihrem kühl gleißenden, meist auch ungenau flackernden Sopran. Neben ein paar Glanzlichtern (Samuel Yuon als Kurwenal, Dalia Schaechter als Brangäne) gab es einen soliden König Marke (Alfred Reiter) und einen Tristan von schwankender Qualität und Treffsicherheit (Richard Decker), der sich zumindest im Schlussakt zu bemerkenswert lyrischer Emphase steigerte. Eine kleine, aber lautstarke Anti-Claque buhte am Ende alles nieder, sogar Generalmusikdirektor Markus Stenz, der Wagners Partitur mit dem Gürzenich-Orchester entschlackt und durchsichtig anlegte und dabei die Sänger auf Händen trug. // MSS