»M-Maybe« – das Bild der coolen Comic-Blondine – war Ikone und lange Zeit so etwas wie ein Markenzeichen des Museum Ludwig. Es zeigt Roy Lichtenstein, wie ihn jeder kennt, und hat alles, was die Manier des Pop-Art-Veteranen ausmacht: Die dicken schwarzen Konturlinien, große Farbflächen, regelmäßige Rasterpunkte und noch dazu eine Sprechblase. Aber das ist natürlich nicht der ganze Lichtenstein. Andere Seiten seines Œuvres zu entdecken, verspricht nun die große Solo-Schau im Museum Ludwig, wo es um die »Kunst als Motiv« in Lichtensteins Schaffen geht.
Klar, bisher verborgene Geheimnisse rund um den 1997 verstorbenen Malerstar wird es heute kaum mehr zu lüften geben, auch in dieser Ausstellung nicht. Allenfalls weniger geläufige Seiten des Werkes, etwa Lichtensteins vielsagenden Umgang mit der Kunstgeschichte. Ein Thema, das den 1923 in Manhattan Geborenen von seinen künstlerischen Anfängen an beschäftigt hat und sehr gut geeignet scheint, dem Maler hinter der Pünktchen-Masche nahe zu kommen. Seinen theoretischen Überlegungen, seinem kunsthistorischen Background, den ironischen, provokanten Hintergedanken.
Dabei unterscheidet sich sein Zugang zu Cézanne und zum Kubismus, zu Matisse, Mondrian, zu Futurismus und Abstraktion gar nicht so sehr von der Adaption typischer Versatzstücke aus Comic und Konsumkultur. Denn auch beim Griff nach der Kunstgeschichte interessierte weniger das Original, als vielmehr dessen Fortleben als vervielfältigtes Phänomen der Alltagskultur.
Die Ausstellung führt Lichtensteins oft entlarvendes Spiel mit den zu Klischees geronnenen Ausdrucksweisen der Moderne vor Augen. Dabei sind die prominenten Vorbilder immer überdeutlich präsent, auch wenn der Maler ihnen hemmungslos das eigene Raster aufdrückt.
Das funktioniert bei Monets Kathedrale von Rouen und ebenso beim Pferderennen des Futuristen Carlo Carrà, das Lichtenstein auf Monumentalformat bringt und, in ein festes Liniengerüst eingebunden, regelrecht gefrieren lässt. Auch den wilden Pinselstrich des Abstrakten Expressionismus persifliert Lichtenstein nach den eigenen Regeln der Kunst – in seiner Serie der »Brushstrokes«, die den malerischen Schwung in mit Plan und Bedacht gesetzten Linien und Pünktchen bändigen, ihm dabei alles Unmittelbare nehmen.
Selbst mit fernöstlichen Vorbildern ging der Pop-Artist um. Ein gutes Beispiel jener originellen Variante lichtensteinscher Interpretations-kunst bietet das kürzlich aus der Ludwig Stiftung für Köln erworbene Spätwerk »Tall Mountains«. An dem über Jahrzehnte üblichen Prozedere hält der Künstler auch hier fest: Erst die Vorzeichnung, dann die durchkomponierte Collage, schließlich die vergrößernde Übertragung auf Leinwand, bei der ein Projektor half.
Das Ergebnis schaut allerdings etwas anders aus als sonst, der Maler schafft ungewohnt zarte Übergänge im Pünktchenraster, verzichtet auf die harten Konturen und bringt so das Sfumato asiatischer Tuschepinsel-arbeiten zur Sprache. Nebenbei spielt er gewitzt mit westlichen Asien-Klischees, wenn er ein kleines bemanntes Segelboot in die Komposition kopiert.
Hinter den plakativen, leicht konsumierbaren und auch ziemlich eintönigen Oberflächen entdeckt die Ausstellung den hintergründigen, ironischen, analytischen Maler, den scharfen Beobachter, der die Mechanismen des Bilderkonsums durchschaut und auf den Punkt bringt. Museumschef Kasper König geht so weit, Lichtenstein »ohne Frage zu den intelligentesten Künstlern des 20. Jahrhunderts« zu zählen. | STST
Museum Ludwig, Köln. 2. Juli bis 3. Okt. 2010. Tel.: 0221/22126165; www.museum-ludwig.de