// In einem unscheinbaren Bau an der Christstraße 9 in Bochum, ein paar Meter hinter dem Schauspielhaus, läuft die Globalisierung nicht wie gewohnt. Für die GLS-Gemeinschaftsbank sind nicht Umsatz und Profit die höchsten Maßstäbe des eigenen Erfolgs. Es zählen Werte, ethische und ökologische. »Wir arbeiten nur mit Gesellschaften, die die Menschen voranbringen, die nachhaltig sind und der Umwelt nutzen«, sagt Christof Lützel vom Anlageausschuss der Bank. Tja, Nokia, Pech gehabt: Ende Februar entfernte das höchste Finanzgremium der Bank den finnischen Handyhersteller aus den eigenen Portfolios. Lützel: »Wie die mit den Menschen umgehen, das geht gar nicht.«
Das hört sich an, als säßen in der GLS Bank ein paar Öko-Spinner, die von den Zwängen der aktuellen Marktwirtschaft keine Ahnung haben. Doch mitnichten. Im Gegenteil, das Geldhaus beweist täglich, dass man nicht andere ausbeuten muss, um Erfolg zu haben: Die größte und älteste der drei Öko-Banken in Deutschland weist Wachstumsraten von über 20 Prozent jährlich aus.
Tatsächlich ist an der Bochumer GLS Gemeinschaftsbank alles anders. Anstelle von Glasfassaden, die Transparenz heucheln, führt hier eine geschwungene Auffahrt zu einem soliden Altbau mit betulichen Behördenfenstern. Dafür finden sich in dem Geschäftsbericht keine nichtssagenden Phrasen über prächtige Geldgeschäfte, sondern die Summen jedes einzelnen Kredits. Samt Empfänger und Verwendungszweck. Lützel: »Wir veröffentlichen unsere Geschäfte. Wir haben nichts zu verbergen.« Und so liest man von den 51.260 Euro für den Ökobauern Ernst Becker aus Bad Vilbel für dessen mobilen Hühnerstall, oder von den 4.320 Euro für die Erweiterung der heilpädagogischen Schule Johanneshof in Bramsche. Die GLS finanziert Vorhaben von Ägypten bis Wuppertal. Vorstandschef Thomas Jorberg sagt: »Wenn alles transparent ist, bleibt kein Platz für Schattengeschäfte.«
Schon der Name der Bank ist ungewöhnlich. »Gemeinschaft, Leihen, Schenken«, das heißt GLS. Seit 1974 gibt es das Geldhaus. Die Bank hat weltweit noch keine einzige Panzerfaust finanziert, weder deren Bau, noch deren Vertrieb oder Einsatz. Dafür hat sie aber Mitte der 80er Jahre den ersten Windparkfonds in Deutschland aufgelegt, die ersten Bioläden bezahlt und die ersten Ökobauern unterstützt. Ursprünglich war die GLS Bank eine anthroposophische Einrichtung, und sie ist immer noch mit der Waldorfpädagogik verbunden. Kurz gefasst könnte man sagen: Die GLS sorgt sich um das Geistige in einer kapitalistischen Welt. Wobei sie im Prinzip die normalen Bankprodukte anbietet: Girokonten für über 50.000 Kunden, Handel mit Wertpapieren und Rentenversicherungen, Unterstützung von Existenzgründern.
Wirtschaftlich gesehen dreht die GLS Bank zwar ein kleines Rad im deutschen Geldgewerbe: Das Bilanzvolumen liegt bei rund 670 Millionen Euro – wenig im Vergleich zur Deutschen Bank mit rund 990 Milliarden Euro. Vorstand Jorberg aber meint: »Die Qualitätsentwicklung wird nicht in den großen Häusern stattfinden, sondern bei uns. Die Großen machen Masse.«
Was aber verbirgt sich konkret hinter den Jorberg-Worten »Nachhaltigkeit«, »Ökologie« und »ethisches Investment«? Wenn man sich auf die Spurensuche nach der Bedeutung dieser Begriffe macht, kommt man an ungewöhnliche Orte: Zum Beispiel nach Schleswig Holstein, in das kleine Örtchen Allmende Wulfsdorf, zu Erhard Petersen. Hier haben sich knapp 100 Menschen zusammengetan, um in einem ökologischen Wohnprojekt zusammenzuleben. Petersen ist der Vorstand des Trägervereins. Jeder hat sich auf dem Gelände einer früheren Jugendbesserungsanstalt eine kleine Eigentumswohnung gekauft. Es sind schöne, ökologische Häuser mit viel Holz. Petersen sagt: »Die GLS Bank hat uns für unsere Gemeinschaftsprojekte wie Kindergarten oder Turnhalle die Kredite gegeben. Keine andere Bank hätte das getan.« Denn es haftet keine einzelne Person, es gibt außer Kleinbürgschaften kaum Sicherheiten. Die GLS aber akzeptierte das Modell.
Einen anderen Weg zum Kern des ethischen Verständnisses der Bank führt nach Ägypten, 60 Kilometer vor Kairo, in den Ort Sekem. Hier hat der Pharmakologe Ibrahim Abouleish in den 70er Jahren einen Traum wahr gemacht: Mitten in die Wüste bohrte er einen Brunnen und baute auf 150 Hektar ökologische Baumwolle an, produziert dazu Tee und Reis und Öl und Kräuter. Alles biologisch sauber und ökonomisch solide. Und ein Paradies für mehrere tausend Menschen: Sie bekommen hier Zugang zu Bildung und zu Krankenhäusern. Dafür erhielt Abouleish den Alternativen Nobelpreis. Die GLS-Bank hilft nun mit Krediten, um die Produkte des Sekem-Traums im wachsenden deutschen Ökomarktsegment unterzubringen. Das ist gelebtes AntiNokia. Das genaue Gegenteil der Anpassung nach unten. Es muss nicht vielen schlechter gehen, damit es wenige besser haben.
Richtiges Handeln braucht Denken. Und denken kostet Zeit, viel Zeit. Die nimmt sich die Bank. »Wir suchen den Sinn«, sagt der Kreditberater in der Hamburger Filiale, Christian Marcks. Er meint lange Gespräche mit Unternehmern, die um Darlehen bitten. Marcks will ihre Motivation verstehen. Geht es nur um Profit, oder um mehr? Natürlich muss auch das wirtschaftliche Fundament stimmen. Nur wenn der richtige Inhalt auf einer tragfähigen Basis steht, wird der Kredit gewährt. »Die Leute denken oft, wir sind eine Förderbank, weil wir hohe Ziele haben, aber das ist nicht so einfach«, sagt Marcks. »Wir müssen auch auf unsere Erträge achten.« Der Erfolg gibt der GLS Bank Recht. Die Kreditausfälle lagen 2006 bei weniger als 200.000 Euro. Die Wachstumsraten sind enorm. Jahr für Jahr legt die Bank zu. Ein Ende des Wachstums ist nicht abzusehen.
Seit wenigen Monaten ist die GLS Bank im Geschäft mit grünen Wertpapieren. Mit einem »großen Potenzial«, wie Thomas Goldfuß, Leiter der GLS-Vermögensberatung sagt. Das Besondere sind wieder die Ansprüche der Bank. Nur wer in einem komplizierten Auswahlverfahren übrig bleibt, wird in ein »Anlageuniversum« aufgenommen. Als einziges Autounternehmen ist derzeit Renault dabei, weil die Franzosen so umweltschonende Autos bauen. Toyota ist aus dem »Universum« rausgeflogen, trotz des Hybridautos Prius. Die anderen Wagen aus dem Haus der Japaner verbrauchen für die GLS Bank zu viel Sprit. Natürlich ist der Solarkonzern Solarworld dabei und der Brennstoffzellenpionier Ballard Power. Und natürlich gibt es auch Grauzonen. Zum Beispiel Dell. Es ist nicht auszuschließen, dass Dell auch Computer ans Militär liefert, sagt Goldfuß. »Aber irgend-wo müssen wir bei Konzernen dieser Größe realistisch bleiben. Und Dell ist kein Rüstungsbetrieb.«
Ach, und dann wäre da ja noch das Wort Schenken im Geschäftsnamen der Bank. Das hat mit der Geldlehre von Anthroposophie-Gründer Rudolf Steiner zu tun. Darin geht es um Kaufgeld und Leihgeld: Das eine braucht man, um Handel zu treiben, das andere gibt einem die Bank. Und dann gibt es laut Steiner noch das Schenkgeld. Das braucht man für die Künste und die Kultur, die niemals auf eigenen Beinen stehen könnten, ohne sich selbst zu verraten. So muss also auch die GLS Bank schenken. Und das tut sie tatsächlich. Sie hat eine Treuhandstelle aufgemacht, die Bildungsprojekte beschenkt oder Menschen in Not. Aber auch im direkten Bankgeschäft spielt das Schenken eine Rolle. So können Anleger ein Projekt beschenken, auch wenn sie noch gar kein Geld haben. Dann vergibt die Bank zum Beispiel ein Darlehen an einen Bioladen, das von den Schenkenden Stück für Stück abgetragen wird und nicht vom Bioladenbesitzer. Kreditberater Marcks sagt dazu: »Manchmal schicken wir gemeinnützige Initiativen direkt zur Treuhandstelle der GLS, um sich Geld geben zu lassen.«
Offenbar ist in Zeiten des Turbokapitalismus also auch so etwas möglich. Zumindest bei der GLS.