»Kaikou« – »Seelenwanderung« nennt Susanne Linke ihr erstes Auftragswerk für das Aalto-Theater. Die 62-jährige Ikone des deutschen Tanztheaters, im Frühjahr noch am gleichen Ort mit dem Deutschen Tanzpreis für ihr Lebenswerk geehrt, sollte dem ersten Solisten Raimondo Rebeck etwas auf den Leib choreografieren. Rebecks Wunsch, zu dem Adagietto aus Mahlers Sinfonie Nr. 5 zu tanzen, brachte Linke zunächst in Verlegenheit – die Musik, als Soundtrack zu Viscontis Mann-Verfilmung »Der Tod in Venedig« ohnehin abgegriffen, erschien ihr arg pathetisch.
So setzt Linke starke Kontrapunkte, indem sie den Berliner das Animalische im Menschen und das Humane im Tier verkörpern lässt. Herausgekommen ist ein Opus, das nur vor dem Hintergrund des Buddhismus’, dem Glauben an Seelenwanderung und Wiedergeburt, überzeugen kann. Auch ist »Kaikou« angewiesen auf die Bewegungsqualität eines Künstlers wie Rebeck. In der Art, wie er auf allen Vieren unruhig umher streift – das Hemd deutet farblich das Raubtier an –, erinnert der Solist an eine Wildkatze von Franz Marc. Als homo sapiens richtet er sich auf, das Kämpferische noch in sich. Hosenrock und Bambusstock weisen den asiatischen Krieger aus. Elegant versteht Rebeck es, mit dem Stab – mal Wanderstock, mal Waffe – zu tanzen. Letztlich wird er ihm zum Verhängnis. Tod und Verklärung thematisiert ebenso Johann Ingers »Home and Home«. Der Leiter des Cullberg-Balletts (Stockholm) schuf diese erzählerische, vage Bildfolge im Jahr 2002. Eine Frau, die zwangsverheiratet werden soll, erinnert sich an ihr bisheriges Leben, flüchtet in eine traumverlorene Phantasiewelt. Aufgekratzte, skurrile Nachtgestalten stehlen sich hinter mobilen Wänden hervor, die manches Geheimnis bergen. Doch dem Sensemann mit Melone entkommt das arme Ding nicht.
Mit dem Tod in dem Kultstück »Der Grüne Tisch« kann er es natürlich nicht aufnehmen. Kurt Jooss’ Antikriegsballett (1932), das große Werk des Ausdruckstanzes, beschließt den Abend eindrucksvoll. // TROUW