// »Das Haus ist einfach toll«. Markus Heinzelmann steht in einem der vielen kleinen Ausstellungssäle des barocken Schlösschens – und er schwärmt. Obwohl die Bedingungen im Museum Morsbroich alles andere als ideal scheinen für den Ausstellungsbetrieb. Überall Fenster, große Durchgangstüren und Wände, die oft nicht einmal ganz gerade sind. Viele Kollegen würden stöhnen. Anders Museumsdirektor Heinzelmann. Der freut sich – weil ihn die komplizierten Bedingungen in Leverkusen zwingen, sehr genau mit dem Haus zu arbeiten. Und weil sie ihn dazu bringen, die Künstler eng einzubinden in die räumliche Konzeption der Ausstellungen.
Beim Blick zurück auf die letzten zwölf Monate denkt er besonders gern an zwei Promigäste: Candida Höfer und Gerhard Richter bestückten das Programm und halfen beide, die Ausstellungen mitzuarrangieren. Die Ergebnisse beeindruckten – eines wie das andere. Und sie boten dem Internationalen Kunstkritikerverband kürzlich zwei gewichtige Gründe mehr, Morsbroich mit dem Titel »Museum des Jahres 2009« auszuzeichnen.
Höfer belegte das Schloss mit Arbeiten aus vier Jahrzehnten und lieferte dazu gar Abzüge, deren Formate haargenau auf die Wände dort zugeschnitten waren. »So etwas macht sie sonst nie«, weiß Heinzelmann. Noch mehr Aufsehen erregte Richter, der gelockt vom intimen Schloss-ambiente, Ende 2008 in Leverkusen erstmals seine kleinen privaten Fotoübermalungen öffentlich machte. Er kam selbst, um bei der Anordnung mitzuwirken: In langer Schlange zog er die kleinen Bildchen durchs Haus – wie eine Reihe ohne Anfang und ohne Ende. Immer wieder auflockernd wirkten dabei entspannende Aussichten durch die vielen Fenster in den hübschen Schlosspark.
Langsam leuchtet ein, was Heinzelmann so schätzt an seinem Schloss. Warum es ihm so viel lieber ist als der klassische White Cube. Die Arbeit mit den Künstlern in den Räumen sieht er als einen dicken Schwerpunkt seiner Arbeit hier. Dabei gehen die künstlerischen Eroberungen allerdings nicht immer so spurlos vorüber wie bei Richter und Höfer. Eben erst sind die Renovierungsarbeiten im Foyer eilig zu Ende gebracht worden. Für die letzte Schau »Revolutionen des Alltäglichen« hatte Glenda Leòns dort einen Himmel aus rissiger blauer Tapete an die Wand geklebt – die Löcher sahen aus wie Wolken.
Es hat einige Mühe gekostet, das Kunststück und seine Reste rechtzeitig wieder zu beseitigen. Derweil laufen emsig die Vorbereitungen zum nächsten Vorhaben. Überall Kisten mit Bildern. Reinhard Mucha hat sich angesagt, um die eigene Arbeit zu installieren. Ekrem Yalcindag ist schon eingetroffen – gleich wird er loslegen und in unendlicher Fleißarbeit ein flächendeckendes Geflecht floraler Formen mit Acrylfarbe auf der Wand modellieren. Zwei Wochen sind dafür veranschlagt – gewöhnlich braucht der Künstler viel länger. Denn Langsamkeit ist ihm zum Prinzip geworden. Auch wenn unsere Zeit und ihre technischen Möglichkeiten eigentlich gegen solch liebevolle Hinwendung zu sorgsam ausgeführter Handarbeit sprechen.
Ja, es gibt sie auch im 20. und 21. Jahrhundert noch – die »langsamen Bilder«. Heinzelmann und sein zweiköpfiges Kuratorenteam haben jede Menge davon gefunden und rücken sie jetzt unter dem Titel »Slow Paintings« ins Rampenlicht. Es ist das erste Mal, dass Markus Heinzelmann, Stefanie Kreuzer und Fritz Emslander zusammen eine Ausstellung machen. Doch was für ein Thema? Alle reden von Effizienz, Hektik, ständiger Beschleunigung des Alltags. Und Leverkusen holt sich über 30 Künstler ins Haus, die keinen zeitlichen Aufwand zu scheuen scheinen.
Im traditionellen Bild war sie sozusagen Voraussetzung – ohne handwerkliche Mühe kein Gemälde. Wer heute langsam malt, denkt sich dagegen etwas dabei: Der Aufwand ist Teil seiner Idee, Komponente des Konzepts. Und das macht die Sache so spannend. Nicht zuletzt, weil jene »langsamen Bilder« zum langsamen Betrachten verleiten, oder besser, anleiten können.
Anfang der 60er Jahre sieht man Ad Reinhardt eines seiner berühmten black paintings anlegen – Lasur auf Lasur, mit präziser Handwerklichkeit und außerordentlichem Farbgespür malte der US-Künstler bis zu 100 Schichten übereinander. Eine strapaziöse Prozedur, die dem Außenstehenden ihr Geheimnis nur ganz allmählich preisgibt – nach und nach erst werden dynamische Raumstrukturen unter der Oberfläche erkennbar.
Im Jahrzehnt darauf ging in Frankreich Bernard Frize ans Werk, griff sich dazu seinen allerfeinsten Pinsel, außerdem alle Farben, die er im Atelier auftreiben konnte und überzog in wochenlanger Kleinarbeit die Leinwand mit winzigen, hauchdünnen Strichlein – immer abwechselnd horizontal und vertikal. Thema scheint hier weniger das Bild, vielmehr beschäftigt den Betrachter die extreme Aktion dahinter.
Doch zählt in der Schau nicht nur die Mühsal des Malens. Ebenso interessiert das konsequente, oft über Jahrzehnte verfolgte Projekt. Beste Beispiele dafür bieten jene schlichten date paintings, die On Kawara seit über 40 Jahren nach immer gleichen Regeln auf kleine Leinwände bringt. Weiße Zahlen vor monochromem Grund, in jedem Fall angefangen und vollendet am Tag, den sie verzeichnen – und verworfen, falls sie nicht innerhalb der 24 Stunden fertig werden.
Selbst logistischer und organisatorischer Aufwand…
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»Slow Paintings«, Museum Morsbroich, Leverkusen. Bis 7. Februar 2010. Tel.: 0214/855560. www.museum-morsbroich.de