TEXT: STEFANIE STADEL
Einfacher geht’s kaum: Ane Mette Hol reicht schon ein Stück abgerissenes, zerknicktes, beschmiertes Abdeckpapier für die Kunst, so scheint es. Noch nicht einmal mit der Inszenierung gibt die Künstlerin sich sonderlich Mühe. Der Fetzen auf dem Fußboden sieht ganz so aus, als hätte ihn der Anstreicher nach der Arbeit schlicht dort vergessen. Aber halt!
Muss man nicht doch mehr dahinter vermuten?
Nur wer Hol nicht kennt, mag hereinfallen auf die Finte. Wer jedoch vertraut ist mit ihrer Arbeit, der wird wohl ein zweites Mal hinschauen und dann wahrscheinlich erkennen, dass es durchaus kein Abfall ist, der da herumliegt. Sondern eine minutiöse Zeichnung. Mit Pigment und Pastell, mit Filzstift und Acrylfarbe, Kohle und Klebstoff hat die 1979 geborene Norwegerin akribisch rekonstruiert, was eigentlich in die Tonne gehört. Im zeitraubenden Arbeitsprozess wurden sogar die vorüberhuschenden Fußabdrücke auf dem Papier nachvollzogen.
Die Liebe zum Material spricht hier aus allen Falten, aus jedem Farbspritzer, der wie zufällig das Papier sprenkelt. Hols Arbeit könnte damit gut als Musterbeispiel stehen für jenes Phänomen, das in Krefeld zum Ausstellungsthema wird. Gerade unter den kreativen Zeitgenossen hat man dort eine neue Aufmerksamkeit für das Material ausgemacht. Dies zu belegen und zu beleuchten, sind in Haus Lange und Haus Esters zwölf jüngere Künstler mit ihren Werken zusammengekommen.
Sie bauen stattliche Werkbänke aus Papier und legen große Styropor-Quader auf die Terrasse, sie gießen Hosenbeine in Beton und lassen Parkettboden im Fischgrätmuster verlegen. Berta Fischer macht farbig-transparente Acrylglasplatten durch Hitze biegsam und verformt sie verführerisch. Oscar Tuazon dagegen baut aus Holzbalken, Betonschalsteinen und rostenden Metallprofilen derbe Groß-Skulpturen, die an Baustellen denken lassen.
Indem die erfrischende Schau nun all das ausbreitet, will sie nicht etwa die Materialvielfalt der zeitgenössischen Kunst erfassen – dies wäre wohl auch ein wenig aussichtsreiches und ziemlich müßiges Unterfangen. Eher versucht sie, den Umgang jedes einzelnen der zwölf Künstler mit seinem Werkstoff zu ergründen, um daraus womöglich allgemeine Schlüsse für die aktuelle Kunstpraxis ziehen zu können.
Wie äußert sich jene neue Aufmerksamkeit für das Material, von der im Katalog die Rede ist? Ziemlich deutlich in den »Boxes« von Markus Karstiess: Schlichte Behältnisse aus Keramik, die zum Schauplatz wunderlicher Material-Metamorphosen werden. Denn vor dem Brennen des Tons hat der 1971 im rheinischen Haan geborene Künstler allerlei Ausschuss – Glasurreste, Glasscherben, Keramikabfall – in die »Boxes« gelegt, die im Ofen unterschiedlich reagieren. Sie werden weich oder flüssig, bilden dabei zuweilen Blasen und bringen ganz unvorhersehbare Farben und Formen hervor. Das Material wird zum Hauptthema dieser Experimente. Und beim neugierigen Blick in die »Boxes« überraschen die Ergebnisse immer wieder aufs Neue.
Karstiess greift nach uralten, auch im Kunstkontext seit Jahrtausenden eingeführten Materialien und macht daraus etwas Neues. Anders Karla Black – die Schottin lenkt ihre Aufmerksamkeit …
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Museum Haus Lange, Museum Haus Esters, Krefeld, bis 10. August 2014. Tel.: 02151 / 975580. www.kunstmuseenkrefeld.de