Die eine, Louisa, kommt gerade zurück von der Paris Photo, die andere, Gisela, ist auf dem Sprung nach Köln zur Art Cologne. Wie gut, dass das Zeitfenster passt und man die vielfach engagierte Mutter und die Tochter auf internationalem Erfolgskurs nach Terminabsprachen kreuz und quer tatsächlich gemeinsam antrifft. Im fast schon imposanten Anwesen am Bonner Venusberghang. Wenn sie nicht gerade unterwegs sind, wohnen und arbeiten sie hier, beide. Die Tochter als Künstlerin, die Mutter als Juristin und Galeristin – und noch einige mehr – ein Vier-Generationen-Wohnprojekt.
Entworfen hat das schlicht-schicke und durchaus repräsentative Ensemble Gisela Clements Bruder: Uwe Schröder, Professor und Architekt, einer von einigen Kreativen in der Familie. Zum Altbau, wo schon die Urahnen wohnten, kamen seit den 1990er Jahren diverse Baukörper hinzu. Klare Kuben und Quader, wo auch Atelier und Galerie Platz finden. Dazwischen Treppen, Plätze, Höfe.
Ein schmaler Durchgang führt in Gisela Clements Galerie, wo man bald im Besprechungsraum gemeinsam am großen weißen Tisch sitzt. Auf Stühlen, belegt mit wärmendem Lammfell, und umzingelt von Ulrike Rosenbachs ikonischen Selbstporträts als Revolver-Lady in Elvis-Pose. Der Transport wird die Serie lebensgroßer Fotoarbeiten demnächst zum Kölner Kunstmarkt befördern, wo Rosenbach am Messestand von Gisela Clement einen großen Auftritt haben wird.
So lange bilden die wehrhaften Ladies einen Gesprächsrahmen, der kaum besser passen könnte. Rund um die beiden Clements, ganz in Schwarz. Ehrgeizig, gewandt, straight und sortiert. Zielsicher, auch ohne Revolver, das wird schnell klar, denn sie schießen sofort los.
Gerne hätte man zunächst etwas erfahren über das erste gemeinsame Projekt, von dem Gisela Clement in ihrer E-Mail vorab geschrieben hatte. Doch die beiden wollen lieber von vorne anfangen. Mit der klaren Ansage, dass sie ihre Arbeit bisher strikt getrennt hätten. Auch was den Markt betreffe. »Alles immer ganz klar separat«, sagt Louisa.
Wer mutmaßte, dass die Galeristinnen-Mutter der Künstlerinnen-Tochter beim Weg auf den Markt Schützenhilfe gegeben haben könnte, irrt gründlich. Viel eher sind sie Seite an Seite gestartet, auf eigenen Wegen zwar, aber ungefähr gleichzeitig. Louisa Clement 2007, als sie nach dem Abitur das Kunststudium in Karlsruhe aufgenommen hat. Und Gisela Clement, als sie wenig später ihr Nebenbei-Interesse für die Kunst in den Mittelpunkt des Berufslebens rückte und 2010, zunächst noch mit einem Kompagnon, die eigene Galerie eröffnete.
Zur unmittelbaren Vorgeschichte der Galerie gehört auf jeden Fall Gisela Clements Kunstprojekt »kunstundwohnen« in Bonner und Kölner Mehrfamilienhäusern der eigenen Wohnungsbaugesellschaft. Meist sind es Mietshäuser, die der Großvater in den 1950er und 60er Jahren errichtet hat, die Gisela Clement als Geschäftsführerin des Familienunternehmens verwaltet und seit 2006 regelmäßig für Künstler*innen und ihre Interventionen öffnet – in Fluren und Gärten, an Fassaden und in leerstehenden Wohnungen haben die Kreativen schon gewirkt. Dieses Jahr wird Pia Stadtbäumer in einem Treppenhaus an der Bonner Lutfridstraße aktiv werden.
In den »kunstundwohnen«-Kreisen hatte Louisa einst denn auch Einblicke ins Künstler*innen-Dasein gewonnen. In Unterhaltungen und Assistenzen. »Ihr habt versucht, mir deutlich zu machen, wie hart das Leben als Künstler sein kann«, bemerkt sie, gerichtet an ihre Mutter, die den Parallel-Start in die Kunstwelt rückblickend, trotz allem, als relativ naiv beschreibt. »Wir haben es gefeiert, dass Louisa an die Akademie gegangen ist. Das fand ich großartig, wir alle fanden es großartig.« Genauso romantisch begeistert habe sie die Galeriegründung betrieben.
Mit den Erfahrungen von heute würde sie vielleicht noch einmal anders daran gehen, auch mit Blick auf Louisa. »Ich finde, das Künstlerinnendasein ist ein extrem anstrengendes, extrem forderndes – alles was Du tust, geht so ins Privatleben«, bemerkt die Mutter mit Respekt und Bewunderung für ihre Tochter, die schon mit Mitte 20 genau gewusst habe, wo sie hin wollte. Von der Hochschule in Karlsruhe ging es in die Klasse von Andreas Gursky an die Akademie nach Düsseldorf und anschließend steil die Leiter hinauf.
Allenthalben begegnet man derzeit Louisa Clements Arbeiten, auch in NRW: Kürzlich im Marta in Herford, jetzt in Gruppenausstellungen im Max Ernst Museum Brühl und im Bonner Kunstmuseum, wo sie 2024 als Trägerin des Bonner Kunstpreises auch eine große Einzelausstellung mit ganz neuen Arbeiten bestücken will, die mit moralischen Fragen rund um die DNA-Manipulation umgehen.
Über mangelnden Zuspruch kann Louisa Clement nicht klagen. Wobei sie allerdings zugibt, dass auch ihr nicht bewusst gewesen sei, was auf sie zukomme. »Ich dachte schon, es ist hart im Atelier zu stehen und zu arbeiten, an sich selbst.« Unter welchem Druck man wirklich sei, und dass man sich bei all der Organisation Ruhe und Muße für das Kunstmachen oftmals erkämpfen müsse, das habe sie sich nicht so vorgestellt.
Über die Jahre hinweg haben beide ihre Erfahrungen gesammelt und vom Ping-Pong auf professioneller Ebene profitiert – auch wenn es bisher keine gemeinsamen Projekte gab. Mutter und Tochter kennen sich aus in der Welt des anderen, wissen wie die Galeristin, wie die Künstlerin arbeitet, was sehr nützlich sein kann. Sie geben sich gegenseitig Tipps. Ist jene Kuratorin zuverlässig? Kann ich den Vertrag so abschließen?
Mit Kunst wirken
Louisa Clement hat ihrer Mutter auch schon Künstler*innen empfohlen. Unter anderem Alex Grein, die sie vom Studium an der Düsseldorfer Akademie kennt und deren Arbeit sie sehr spannend findet. Gisela Clement ist dankbar für den jüngeren Blick auf die Kunst, den die Tochter ihr nahebringt. Und Louisa freut sich, dass sie die geschätzte Kommilitonin gut unterbringen konnte: »Bei Mutti, der kann man vertrauen«, sagt sie grinsend.
Neben den Jungen stehen auf Gisela Clements Programm einige ältere, oft feministisch motivierte Künstlerinnen, die ihr ganz besonders am Herzen liegen. Auch weil sie unter Sammler*innen noch immer nicht so gefragt seien, wie sie es verdienten. In ihrer Galerie präsentiert sie aktuell Ulrike Rosenbach, die auch auf ihrem Stand bei der Art Cologne ihren Platz hat, zusammen etwa mit der Konzeptkünstlerin Margot Pilz und der DDR-Dissidentin Gabriele Stötzer. Gisela Clement regt es ehrlich auf, dass diese Frauen inzwischen zwar in Museen gezeigt, aber kaum Werke angekauft würden.
Genug geärgert. Mit etwas Abstand zum Kunstmarkt starten die beiden Clements jetzt im Doppel – womit das Gespräch beim spannenden Gemeinschaftsprojekt angekommen wäre: Seit Jahren schon beschäftige sie sich mit der Wirkung von Kunst auf körperlich und psychisch kranke Menschen, so Gisela Clement. Sie habe sich mit Ärzt*innen, Patienten*innen, Pflegenden, Wissenschaftler*innen ausgetauscht, 2020 die Firma KURA Concepts gegründet und auch bereits diverse Kunst-Projekte mit einer Vielzahl von Künstler*innen in Kliniken realisiert. »Wir sind nun dabei, das ganze auszuweiten«. Bisher gebe es bei Neubauten gewöhnlich Kunst am Bau: Eine große Wandarbeit oder eine Skulptur vor dem Haus. »Das ist repräsentativ, aber es nützt nichts«, sagt Louisa. Und Gisela Clement stimmt ein: »Die Kunst muss ans Bett der Patientinnen«. Kunst am Bau müsse zum übergreifenden Kunstkonzept werden.
Als sie die entsprechende Anfrage eines großen Klinikums erhielt, habe sie Louisa ins Boot geholt, so Gisela Clement. Denn sie sei die einzige Künstlerin, von der sie wisse, dass ihre Kunst sowohl ästhetisch als auch inhaltlich zu diesem speziellen Projekt passe. »Früher hätten wir das nicht gemacht – aber diesmal bin ich von dem Prinzip abgewichen und habe tatsächlich die Künstlerin ausgesucht, die die Aufgabe am besten lösen kann.«
Es sieht gut aus, die Leute seien begeistert von den Entwürfen. Geplant sind ganz neue Arbeiten. Keine harten Themen, wie Louisa Clement sie sonst gerne zur Diskussion stellt. Sie will Ruhe und Sicherheit vermitteln, vielleicht Kranke und Angehörige mit ihrer Kunst ein wenig von ihren Sorgen ablenken.