Seit den 1980er Jahren gehört die Kreativwirtschaft zu den Hoffnungsträgern in Nordrhein-Westfalen, wenn es um die wirtschaftliche Erneuerung des Landes geht. Lange bevor die britische Regierung unter Tony Blair das Thema weltweit populär machte, träumte NRW von der Jobmaschine Kreativwirtschaft. Zwar musste das Land der Stadt Köln damals noch erklären, dass Film und Fernsehen auch wirtschaftlich wichtig sind, doch mit dem Beginn der Planungen für den Medienpark Mitte der 80er Jahre stand das Thema auch der Agenda der Stadt Köln und jeder Landesregierung.
1992, Johannes Rau regierte noch mit absoluter Mehrheit, veröffentlichte das damalige Ministerium für Wirtschaft und Technologie den ersten Kulturwirtschaftsreport Deutschlands. Der spätere Rau-Nachfolger Wolfgang Clement unterstützte die Gründung der TV-Sender Viva und Vox, die Ansiedlung einer Mischung aus Freizeitpark und Filmstudio von Warner in Bottrop und in Oberhausen die Gründung eines Studios für die Produktion von HD-Filmen.
Die Kreativbranche als Hoffnungsträger
Einige Steuermillionen verwandelten sich in Staub. Doch alle Rückschläge änderten nichts daran, dass die Kreativbranche in NRW als Hoffnungsträger galt. Und warum auch? Die Strategie kann durchaus Erfolge vorweisen: Die Branche machte nach einer vom NRW-Wirtschaftsministerium 2012 in Auftrag gegebenen Studie des Prognos-Instituts 36 Milliarden Euro Umsatz im Jahr. Im Vergleich zu einer Vorläuferuntersuchung aus dem Jahr 2008 war das eine satte Steigerung von 30 Prozent. 50.000 Unternehmen, mehr als 315.000 Beschäftigte – das alles kann sich sehen lassen. Vor allem in Köln und Düsseldorf boomt die Branche, nur dem Ruhrgebiet bescheinigte Prognos damals, dass es trotz eines erheblichen »rhetorischen Aufwands« als Kreativwirtschaftsstandort zurückfalle.
2009 gründete das Land dann creative.nrw. Ein folgerichtiger Schritt: Hier sollten alle Aktivitäten der Kreativwirtschaft gebündelt werden. Werner Lippert war als Clustermanager von Anfang an dabei, und er wird auch das Licht ausmachen, wenn creative.nrw Ende Juni eingestellt wird. »Die Europäische Union hat ihre Förderregeln geändert. Nach spätestens sechs Jahren muss ein Clustermanagement wie creative.nrw zur Hälfte von Unternehmen aus der Branche finanziert werden. Das Geld einzuwerben ist uns nicht gelungen.« Die Branche bestehe nun einmal vor allem aus kleinen und mittleren Unternehmen, die sich schwer damit täten, Institutionen zu finanzieren. creative.nrw sei auch nicht das einzige Clustermanagement, das vor dem Ende stehe, sechs weitere Initiativen würden ebenfalls im Sommer eingestellt. »Das Land Nordrhein-Westfalen will allerdings die Internetseite weiter betreiben und regelmäßig über Aktivitäten im Land informieren. Zumindest der Name wird also weiter bestehen«, sagt Lippert.
Heute ist die Branche längst etabliert
Um Kultur und Teilmärkte der Kreativwirtschaft hat sich creative.nrw gekümmert: Musik, Buch, Kunst, Film, Rundfunk, darstellende Kunst, Design, Architektur, Presse, Werbung, Software und Games. »Am Anfang war es ein Problem, Vertretern dieser Branchen zu erklären, dass sie überhaupt etwas miteinander zu tun haben. Die Architekten haben sich zum Beispiel eher als Teil der Bau- und Immobilienbranche verstanden.« War die Arbeit der vergangenen Jahre erfolgreich? »Ja«, antwortet Lippert ohne zu zögern. »Heute ist die Kreativwirtschaft als Branche etabliert und wird anerkannt.« Das sei nicht immer so gewesen. »Noch in den 90er Jahren galt selbst die Werbewirtschaft in Düsseldorf eher als eine Ansammlung bunter Gestalten denn als Wirtschaftsfaktor. Dass da Unternehmen mit einem Umsatz von 150 Millionen Euro dabei waren, hat damals niemanden interessiert.«
Nicht alle der elf Unterbranchen erweisen sich derzeit als Jobmaschinen. Der Werbewirtschaft und den Herstellern von Computerspielen und Software geht es gut, die Musikwirtschaft und vor allem die Presse haben mit den Auswirkungen der Digitalisierung zu kämpfen. Während sich die Musikbranche durch Streamingdienste wie Spotify fängt und vielleicht die Zeiten den schlimmsten Rückgangs hinter sich hat, ist ein neues Geschäftsmodell für die Verlage nicht einmal am Horizont zu erkennen und geht der Abbau von Arbeitsplätzen in Redaktionen ungebremst weiter.
»Wir haben Spielehersteller mit Medizinunternehmen zusammen gebracht.«
In den vergangenen sechs Jahren, sagt Lippert, habe creative.nrw daran mitgewirkt, die Bedeutung der Kreativwirtschaft herauszustellen und zu zeigen, wie andere Branchen von ihren Impulsen profitieren können. In diesem Feld war auch Nadia Zaboura aktiv war. »Wir haben Spielehersteller mit Medizinunternehmen zusammen gebracht. Als wir 2014 zum ersten Mal den Kongress Creative.Health starteten, waren die Vorbehalte noch groß. Beim zweiten Kongress in diesem Jahr in Duisburg hatten viele dann schon erkannt, dass die beiden Branchen mehr mit-einander verbindet, als man auf den ersten Blick ahnt«, sagt sie. So gebe es Computerspiele für traumatisierte Kinder, die mit niemandem reden – aber mit Ärzten und Pflegern über eine App kommunizieren können. Dieser Markt für Gesundheitsanwendungen auf Computern, Smartphones, Tablets oder Smartwatches werde in den kommenden Jahren weiterhin rasant wachsen.
Solche branchenübergreifenden Initiativen zwischen Kreativwirtschaft und Immobilien, Maschinenbau oder Medizintechnik waren die Spezialität von creative.nrw: »Wir hatten immer die Gesamtwirtschaft im Blick und mit Wirtschaftsminister Gerald Duin auch einen Ansprechpartner an der Spitze, der genau das wollte«, so Zaboura. creative.nrw war die Adresse im Land, wenn es um praktische Probleme und pragmatische Lösungen ging: Gemeinsam mit der NRW-Bank entwickelte man ein Mikrokredite-Konzept für Unternehmen aus der Kreativ-Branche. »Das war oft nicht sehr öffentlichkeitswirksam«, sagt Lippert, »aber es war das Bohren dicker Bretter im Hintergrund. Bis die NRW-Bank diese Kredite schließlich anbot, haben wir mehrere Jahre gemeinsam an der Umsetzung gearbeitet.« Inzwischen steht Lippert auch in Gesprächen mit anderen Banken, die sich dafür interessieren.
Die Immobilienpreise steigern
Ein anderes Arbeitsfeld von creative.nrw war die Raumsuche für Gründer. Immobilien und Kreativwirtschaft waren schon immer eng verbundene Themen. Anfangs war man im Wirtschaftsministerium noch der Ansicht, der größte wirtschaftliche Effekt kreativer Unternehmen bestehe darin, durch bloße Anwesenheit die Immobilienpreise im Viertel zu steigern. Diese Zeiten sind vorbei. »Wer heute Agenturen in seiner Stadt ansiedeln möchte, hofft wie Dortmund oder Köln auf Arbeitsplätze, nicht auf steigende Mieten.«
In Köln und in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr habe die Gewerbeflächensuche für kleine Kreativschmieden gut funktioniert. »In Düsseldorf war das bis zu Kommunalwahl im vergangenen Jahr schwierig. Aber der neue Oberbürgermeister Thomas Geisel und die rot-gelb-grüne Mehrheit im Rat haben erkannt, dass es auch in Düsseldorf wichtig ist, Raum für neue, kleine Unternehmen zu haben.« Das siebenköpfige Team um Clustermanager Lippert würde die Arbeit von creative.nrw gerne weiter führen. Zehn Jahre, sagt würde es mindestens dauern, ein funktionierendes Cluster aufzubauen. Die vielen Veranstaltungen, die sie organisiert hätten, die Netzwerktreffen, die Kongresse, all müsste eigentlich noch ein paar Jahre fortgeführt werden, damit sich ein dauerhafter Erfolg einstellt. Aber Zaboura ist froh, dass wenigstens ein paar Projekte wie die Unternehmer-Datenbank künftig vom Wirtschaftsministerium in Eigenregie weitergeführt werden. »Es wäre schade gewesen, wenn nichts geblieben wäre.«