Die eigene Zahnbürste? Eher ungeeignet. Und auch bei Kreditkarten, Bargeld oder dem eigenen Partner muss die Antwort der Befragten prompt und eher einsilbig gewesen sein: Im Mai 2015 hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen eine repräsentative Umfrage zur »Sharing Economy« in Auftrag gegeben. Zur Ökonomie des Teilens. Dass nicht alle Dinge der Welt dafür geeignet sind, machten die Befragten schnell klar – und überlegten während der Telefoninterviews umso bereitwilliger, was man stattdessen teilen, leihen oder tauschen könnte: Die meiste Zustimmung gab es für Werkzeuge, Autos, CDs, Videos oder Bücher.
Nehmen wir zum Beispiel Bohrmaschinen: Rein statistisch gesehen wird ein solches Gerät 45 Stunden im Laufe seines ganzen Lebens genutzt – funktionieren würde es aber schätzungsweise über 300 Stunden. Neu ist der Gedanke, Dinge gemeinsam zu nutzen statt sie selbst zu besitzen, natürlich nicht: Schon seit den 70er Jahren macht sich die Ökologiebewegung für eine alternative Konsumkultur stark – mit Wohngemeinschaften, Waschsalons, Mehrwegflaschen oder landwirtschaftlichen Genossenschaften. Das Internet jedoch verändert die Verhältnisse: »Weite Bereiche des Netzes sind auf dem Prinzip des Teilens von Informationen, Texten oder Musik aufgebaut – sei es in kommerzieller oder nichtkommerzieller Form«, heißt es in einer Studie des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt und Energie, die der Naturschutzbund (NABU) mit der Heinrich-Böll-Stiftung in Auftrag gegeben hatte.
Um Geldersparnis geht es bei »Shareconomy«, wie die Bewegung auch genannt wird, also nur bedingt: Leihen statt kaufen, teilen statt behalten ist mehr als nur der Weg zu einer ressourcenschonenden Konsumkultur. »Mit der Verbreitung digitaler Leih-, Miet- und Tauschmodelle entstehen neue Geschäftsformen«, heißt es in einer Studie des Naturschutzbundes (NABU) und der Heinrich-Böll-
Stiftung, für die es eine neue «Währung» brauche: Vertrauen. Die Zuversicht, dass andere die eigenen Dinge gut behandeln und wir an fremdem Wissen, fremden Gegenständen oder Fertigkeiten teilhaben können. »Teilen ist das neue Besitzen« hatte das »Time Magazine« noch vor kurzem verkündet und die neue Form des Konsums als eine der zehn großen Ideen erkoren, die die Welt verändern könnte. Je mehr Marktteilnehmer untereinander teilten, desto höher würde der Wohlstand für alle.
Aber wo findet man Menschen, die kostenlos die Fahrräder anderer reparieren und dabei am liebsten Kaffee trinken? Warum ist es in Köln so günstig, sich eine Grafik von Georg Baselitz an die Wand zu hängen? Und was hat es mit dem »Wandelgarten« in Wuppertal auf sich? Wir haben einige interessante Initiativen und Angebote aus ganz NRW zusammengestellt:
Artotheken
Arman ist gerade nicht da. Seine Grafik »Pistolen« von 1966 hat man noch bis 8. Dezember 2017 verliehen, aus der Arthothek in Köln. Rund 30 solcher Sammlungen hat der Soester Artothekenverband für NRW recherchiert, die Kunst gegen einen kleinen Betrag für einen begrenzten Zeitraum verleihen. In ganz Deutschland gibt es solche Artotheken, in denen etwa auch Thomas Klippers Grafik von Edward Snowden auf Leihnehmer wartet. In Köln hat man aus dem ungewöhnlichen Service allerdings auch eine Art Künstlerförderung gemacht, denn verbunden sind Neuzugänge in der Sammlung auch mit Ausstellungen im Haus Saaleck, einem Bürgerhaus aus dem 15. Jahrhundert. Wer etwa mit einem »Kopf« von Georg Baselitz zehn Wochen zusammenleben will, zahlt 6 Euro, Versicherung inklusive.
artothek.kulturelles-erbe-koeln.de
Free your Stuff auf Facebook
In Berlin tun es schon über 120.000 Menschen, in Bonn immerhin an die 28.000 – sie verschenken Dinge über die Facebook-Gruppe »Free your stuff«. Organisiert nach Städten und Regionen, lassen sich hier unkompliziert Gegenstände anbieten, die man selbst nicht mehr braucht, aber anderen eine Freude bereiten. Auch Gesuche sind erlaubt. Nur: Nichts darf getauscht oder gar verkauft werden. Verboten sind Tiere, Dienstleistungen, Wohnungs- oder Arbeitsgesuche bzw. -angebote oder Medikamente. Wer den Zuschlag bekommt, entscheidet zudem der Anbieter allein.
Kleidertauschpartys
Gib mir deinen Pulli, ich geb dir meinen: Bei »Kleidertauschpartys« bringt jeder mit, was schon länger seinen Kleiderschrank belastet und steckt von anderen an mitgebrachten Klamotten ein, was ihm gefällt. Kostenlos. Unterstützt werden einige Kleidertauschpartys in NRW von Greenpeace, denn auch hier geht es darum, Ressourcen zu schonen. In einigen Städten wird aus dem Kleidertausch ein Event gemacht, etwa wenn jeden letzten Sonntag im Monat in den Dortmunder Tyde-Studios im Hafen im Anschluss noch gefeiert wird.
tauschrausch-dortmund.de
Open Culture
Papier- und Bücherstapel ade. Die Zukunft gehört dem unendlichen Wissen im Internet, das mit einigen Klicks zu erreichen ist. Man muss die Angebote nur finden. Dafür hat 2006 der Stanford-Absolvent Dan Coleman die Internetplattform openculture.com gegründet, die es sich zum Ziel gesetzt hat, alle frei verfügbare Bildungs- und Kulturinhalte im Netz an einem Ort verfügbar zu machen. Wie sah Claude Monet aus, als er in Giverny an seinen legendären Seerosen malte? Über openculture.com kann man einen Film finden, auf dem der überaus bärtige Impressionist in seinem Gartenparadies im Jahr 1915 zu sehen ist. Mit wenigen Klicks erreicht man zudem die gesamte Discography von Patti Smith, ganze 142 Stücke in 13 Stunden, oder den 23-jährigen Eric Clapton, wie er die Grundzüge seiner Musik demonstriert. Zur Auswahl stehen Hunderte solcher Filme, eBooks, Hörbücher, aber auch Sprachkurse oder Onlineseminare von Top-Universitäten wie Stanford, Yale oder Harvard.
www.openculture.com
Solidarische Landwirtschaft
Bei den »Solawis« teilen sich Verbraucher und Erzeuger die Kosten, die Ernte – und das Risiko. Die Mitglieder einer solidarischen Landwirtschaft finanzieren den Ertrag eines Bio-Bauern in seiner Region vor. Im Schnitt sind das pro Kopf 120 Euro im Monat. Dafür bekommen die Mitglieder der »Solawi« ökologisch angebautes Obst, Gemüse, manchmal auch Eier und Brot, abseits von Marktinteressen und wirtschaftlichen Überlegungen. 142 solcher Höfe gibt es inzwischen in ganz Deutschland, zwölf davon in NRW.
www.solidarische-landwirtschaft.org
Carsharing
»Ein Carsharing-Fahrzeug ersetzt acht private PKW«, schreibt der Verkehrsclub Deutschland (vcd) auf seiner Internetseite, der nach eigenen Angaben unabhängig in Sachen »umwelt- und sozialverträgliche, sichere und gesunde Mobilität« berät. Das Prinzip ist einfach: Menschen teilen sich Autos, die von einer Zentrale verwaltet, an verschiedenen Standorten bereitgehalten und per Telefon oder Internet gebucht werden. Zugang bekommt man über Schlüsseltresore oder elektronische Kartensysteme. Eine Übersicht verschiedener Anbieter gibt’s hier:
carsharing-news.de/carsharing-anbieter/
Urban Gardening
Mit anderen gärtnern, das kann man inzwischen in zahlreichen Kommunen in NRW: Vom »Allerweltsgarten« in Mönchengladbach bis zum »Wandelgarten« in Wuppertal hat die Initiative »anstiftung« ganze 95 gemeinschaftliche Gartenprojekte in NRW recherchiert. Wahrscheinlich gibt es noch mehr, denn streng genommen gehört auch das »Guerilla Gardening« dazu, das spontane Bepflanzen von Verkehrsinseln oder oft schmählich vernachlässigten Vorgärten- und Bürgersteiggrün. Fest steht: Beim »Urban Gardening« teilen Bürger nicht nur Gartengeräte und Grundstück, sondern auch ihre Erfahrungen und Erträge.
anstiftung.de/urbane-gaerten/gaerten-im-ueberblick
Reparatur-Cafés
In ganz NRW gibt es Reparatur-Initiativen, bei denen defekte Alltagsgegenstände gemeinschaftlich repariert werden. Dazu gehören Elektrogeräte, Textilien, Fahrräder oder Spielzeug. Voraussetzungen sind: Die Treffen sind nicht-kommerziell und dazu da, die Nutzungsdauer von Dingen zu verlängern, die eigentlich im Müll landen würden. Der Gemeinschaftsgedanke gehört bei den Reparatur-Cafés unbedingt dazu – Kaffeetrinken inklusive. Dafür gibt es inzwischen Initiativen in Münster, Bonn, Bielefeld und Vlotho:
www.reparatur-initiativen.de
Bücherschränke
Digitalisierung schön und gut – ausgestorben ist das gedruckte Wort allerdings längst noch nicht. Etwa 8,5 Milliarden Bücher soll es zurzeit in deutschen Privathaushalten geben. Wer sich von seinem Lesefutter trennen will oder neues sucht, für den gibt es Bücherschränke. Von A wie Aachen bis Z wie Zülpich haben nahezu alle größeren Städte in NRW solch öffentlich zugängliche Tauschregale eingerichtet, aus denen man sich kostenlos bedienen oder die man selbst mitbefüllen kann. Auf bookcrossing.com kann man nachverfolgen, wohin die Reise für das jeweilige Buch geht – logisch, dass man sich dafür vorher anmelden und sein Exemplar registrieren muss.
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_öffentlicher_Bücherschränke_in_Deutschland#Nordrhein-Westfalen
Couchsurfing
Man kann seine Wohnung anderen Menschen anbieten und über die Internetplattform »Airbnb« vermarkten. Oder ein Bett in den eigenen vier Wänden fremden Leuten kostenlos zur Verfügung stellen, etwa bei »Couchsurfing«. Nach eigenen Angaben haben sich schon über 11 Millionen Menschen weltweit auf der Internetseite registriert, um anderen Schlafplätze in der eigenen Wohnung zugänglich zu machen oder selbst zu nutzen. Für Reisen in 150.000 Städte weltweit – mit kleinem Budget.
couchsurfing.com
Foodsharing
Kaum eingestellt, schon weg: Das gilt für die Lorbeerblätter in Aachen ebenso wie für die zehn eingefrorenen Brötchen in Siegen, die jemand auf foodsharing.de eingestellt hat. 200.000 Menschen sind in der Community registriert, um Lebensmittel mit anderen zu teilen. »Waren für die Tafeln haben aber immer Vorrang«, sagt Frank Bowinkelmann, erster Vorsitzender des Vereins von foodsharing. Das Netzwerk der Tafeln ist auch anders aufgestellt: Etwa 60.000 Ehrenamtliche helfen mit, dass Lebensmittel nicht in den Müll wandern, sondern explizit Bedürftigen zur Verfügung stehen. 2018 schon seit 25 Jahren, denn gegründet wurde die erste Initiative 1993 in Berlin. Inzwischen gibt es 934 Tafeln bundesweit, 170 in NRW. Damit sorgen die beiden Initiativen dafür, dass eine Zahl künftig kleiner wird: 80. Denn so viel Kilogramm an Lebensmitteln wirft jeder Deutsche statistisch betrachtet jedes Jahr in den Müll.
www.foodsharing.de