Tollkühn, ja. Anstößig, nein. Blut und Kot sind im Spiel. Der Bühnenkasten für die Nackten und die Toten müllt sich nach dem ersten Hexensabbat zu. Über dem Saustall schwebt ein Stück Papier wie ein zerfetztes Segel – oder der zerrissene Shakespeare-Text. Die Besudelung durch Modder, literweise Wasser und Theaterblut legt sich als Schutzfilm über die Blöße der sich in den Kunstraum Bühne hinein gebärenden Schauspieler. Born to be wild. Es wird gepisst, gekackt, gefurzt. Aber im Gegensatz zum Illu-sionstheater zeigen die sieben Männer, die Jürgen Gosch in die archaische, säkular kultische Handlung des »Macbeth« führt, die Instrumente und ihre Mittel. Totale Anarchie, totale Freiheit. Ein lustvoll glitschiger Trip zwischen Schoß und Grab. Ein Triumph für das Düsseldorfer Schauspielhaus. Dieser »Macbeth« löste die vom Spiegel initiierte Debatte über das »Ekeltheater« aus. Was die Aufführung nichts anging, die von großer Durchlässigkeit, Gelöstheit und Heiterkeit war und entledigt aller Beweislast. Drei Stunden, die sich gegen den Apparat Stadttheater verschworen, weder Ziel noch Absicht zu haben schienen und in nimmermüder Bewegung um sich selbst kreisten, das heißt: um das Theater und dessen autopoetische Kraft. Diesen Schiss der ganzen Welt. | AWI
2003–2013 EIN RÜCKBLICK
01. Feb. 2013