// In den bisherigen 49 Ausgaben von K.WEST – sowie der vorliegenden 50. – haben zahlreiche Persönlichkeiten aus Gesellschaft, Kultur und Kunst, Literatur und Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Sport unseren Redakteuren in Interviews Rede und Antwort gestanden. Zum Jubiläum konnten wir 40 unserer Gesprächspartner aus beinahe fünf Jahren dazu bewegen, zusammenzukommen, um miteinander über die uns alle bewegende Frage zu diskutieren: Wie soll es weitergehen? //
K.WEST: Herr Wallraff – wir nehmen an, Sie sind es –: Die Lage ist ernst, die Mittel sind knapp. Gibt es noch eine Chance?
GÜNTHER WALLRAFF: Man kann mit kleinen Mitteln noch enorm viel erreichen.
INGO SCHULZE: Wer wenig Geld hat, fliegt schnell raus.
HANS-HEINRICH GROSSE-BROCKHOFF: Natürlich. Wir haben hier ein Riesenproblem vor uns, das die Kommunen allein nicht lösen können.
MICHAEL SCHIRNER: Es kann nur eine Strategie geben: Ehrlichkeit.
MICHAEL VESPER: Jetzt ist dieser Begriff ja endlich doch gefallen!
K.WEST: Ist Ehrlichkeit noch ein Anspruch in dieser Debatte?
RUDI ASSAUER: Solch eine Frage von einem Journalisten gestellt zu bekommen ist eine kleine oder sogar große Frechheit.
TANKRED DORST: Die Diskrepanz zwischen dem, wie man sein möchte, und wie man ist, ist das Drama, da steht alles drin.
BAZON BROCK: Alles Wissen kommt aus dem Müll. Wir sind Müllmänner.
CHRISTIAN ESCH: Bisher habe ich daran noch nicht gedacht, aber das muss ich mir wohl durch den Kopf gehen lassen.
K.WEST: Herr Uecker, apropos Kopf, trifft das den Nagel …?
GÜNTHER UECKER: Es geht darum, sich auf originäre Weise in der Welt auffällig zu gebärden.
WERNER SCHMALENBACH: Es ist eben alles anders geworden.
MORITZ RINKE: Im Ernst, die Berührungen zischen denen, die Spaß haben wollen, und denen, die für ihre Überzeugung sterben, sind einfach viel wahrscheinlicher geworden.
JOCHEN GERZ: Eigentlich ist diese nackte Nähe schön.
BAZON BROCK: Verantwortungslosigkeit, wo man hinguckt.
MANUEL ANDRACK: Wer will reif sein?
INGO SCHULZE: Grundsätzliche Fragen werden nicht mehr gestellt, wie etwa die, ob das Streben nach Maximalprofit nicht im Gegensatz zum Allgemeinwohl steht. Darüber wird viel zu wenig diskutiert.
GÜNTHER WALLRAFF: Da setze ich übrigens noch Hoffnungen in die USA.
JOCHEN GERZ: Längst sind die Feinde von damals Freunde geworden.
MICHAEL LENTZ: Wut macht müde.
CLAUS LEGGEWIE: Ich bin ein Kind der politisch-kulturellen Amerikanisierung, Rock’n’Roll und die Simpsons waren für meine und die nächste Generation Freiheitsgewinne.
JÜRGEN FLIMM: Ich bin durch die Evangelischen Kirchentage sozialisiert worden.
TANKRED DORST: Das verblüfft, erschreckt mich auch.
GÜNTHER UECKER: Gegenwart ist das, was man selber erlebt. Und wenn ich mir, was ich nicht tue, mit dem Hammer auf den Finger haue, so ist der Schmerz Gegenwart.
PINA BAUSCH: Realität ist: Mal ist der, mal jener verletzt.
WILHELM GENAZINO: Der Geschlechterkampf, wie jeder weiß, ist ununterbrochen im Gange.
GERARD MORTIER: Das Chaos existiert noch immer.
MARKUS STENZ: In das ewige Beschwören der Krise kann ich nicht einstimmen. Es hilft nur Bewegung, und das kann ich nicht schlecht finden.
OLIVER SCHEYTT: Wir tun alles dafür.
JÜRGEN FLIMM: Den Zeitgeist kann man nicht herbei pfeifen.
RALF ROTHMANN: Ein Satz, der klüger ist als sein Autor, wie mir scheint.
ERWIN GROSCHE: Ich sehe nicht ein, dass man was werden muss. Wenn man nichts kann, das ist was Besonderes.
JÜRGEN GOSCH: Das Gegenteil interessiert mich auch.
HANS NIESWANDT: Es ist bisweilen hart, vom Künstler zum Dienstleister zu werden.
BURGHART KLAUßNER: Ich bin ein Selfmademan, und musste es mir selbst beibringen, Künstler zu sein.
JÜRGEN GOSCH: In Deutschland kann sich doch keiner mehr Künstler nennen außer Schlagersängern.
GABRIELE HENKEL: Man muss als Künstler den Bedarf nach sich selbst herstellen, es hat ja keiner auf einen gewartet.
PINA BAUSCH: Ich bin vielleicht … Ich weiß nicht, was ich bin – offen. Ich habe ja keine Ahnung, auf was ich mich einlasse. Das ist ein Wahnsinn, eigentlich. Ich habe kein Buch, kein Dingsbums, nichts.
MICHAEL LENTZ: Wenn ein Ding bei einem selbst gesessen hat, lernt man mit der Zeit, den Impuls zu unterdrücken, sofort nachzusetzen und wieder eins zu kassieren.
THOMAS RUFF: Ich habe Fragen und Behauptungen in den Raum gestellt.
MICHAEL LENTZ: Wer austeilt, muss auch einstecken können.
INGOLF LÜCK: Ich habe große Lust, das, was ich aufnehme, wieder loszuwerden.
EVA MATTES: Alles, was drin ist in diesem Beruf, darf raus.
JOCHEN GERZ: Teil des Lebens zu sein ist vielleicht genauso wichtig wie Teil der Kunst.
KONRAD KLAPHECK: Meine Mutter beschwerte sich gelegentlich, mit mir könne man ja über nichts Menschliches reden.
V.A. WÖLFL: Ich kann auch neben der Olympiade herlaufen, ohne dass ich daran teilnehme.
RUDI ASSAUER: Ich kann Tee kochen, sonst mache ich nichts.
GABRIELE HENKEL: Hudeln geht nicht.
ROSEMARIE TROCKEL: (schweigt).
CHRISTOPH SCHLINGENSIEF: Eigentlich gilt es, die Täler zu bezwingen, auf die Gipfel zieht es einen sowieso.
K.WEST: Herr Schlingensief hat das Stichwort geliefert: Berg und Tal, Bergbau und Talfahrt. Kurz: Ruhrgebiet. Kann aus dem Revier heraus die Erneuerung Nordrhein-Westfalens gelingen?
KARL LAGERFELD: Ich stelle mir bestimmte Fragen nie.
RUDI ASSAUER: Wir sind der Hoffnungsschimmer für diese tote Region.
RALF ROTHMANN: Das Ruhrgebiet ist überall; auch in Berlin gräbt man sich täglich den Boden unter den Füßen weg.
FRANK CASTORF: Der Wind kam oft von Osten und hat Berlin und dem Ruhrgebiet Ähnliches gebracht.
ANSELM WEBER: Nirgends steht, dass Bochum die Zentrale des Ruhrgebiets sein muss.
GERARD MORTIER: Wenn ich wegziehe aus dem Ruhrgebiet, habe ich etwas gelernt: dass es nicht immer mit der Konjunktur zusammenhängt, wenn es der Wirtschaft schlecht geht, sondern auch mit dem Dilettantismus in den Chefetagen.
WERNER MÜLLER: Wir wollen das alles wohlwollend prüfen.
JÜRGEN FLIMM: Der Weg nach Düsseldorf war damals schon wie eine Fahrt über den Ozean. Und über Düsseldorf hinaus lag die Terra incognita.
ERWIN GROSCHE: Ich verstehe Düsseldorf nicht.
INGOLF LÜCK: Ich sitze auch gern auf Langeoog und schaue aufs Wasser.
GUY HELMINGER: Ja, das Leben ist feucht.
HANS-MICHAEL REHBERG: Na ja. Gut. Weiter.
MANUEL ANDRACK: Moment, Moment!
ROSEMARIE TROCKEL: (schweigt).
Sollten Ihnen die vorstehenden Diskussionsbeiträge irgendwie bekannt vorkommen, so haben Sie sich als aufmerksamer Leser und K.WEST-Kenner erwiesen. Denn jeder Satz aus jedem Munde ist so und nicht anders in Begegnungen zwischen der Redaktion und den versammelten Persönlichkeiten gefallen. In 50 Ausgaben von K.WEST.