Wer in Vreden im Kreis Borken den unweit der Fußgängerzone gelegenen kleinen Stadtpark betritt, stößt bald auf ein paar ehrwürdig alterskrumme Fachwerkhäuser, locker unter hohem Baumbestand gruppiert. Zu dem dörflichen Ensemble, das seinen stillen Bauernmuseumsschlaf schläft, gehört auch eine Mühle mit klapperndem Wasserrad, hart am Ufer der Berkel. Über dem Flüsschen, durch Gebüsch halb verdeckt, gewahrt man etwas, das die Idylle schon durch die Unglaubwürdigkeit seiner Erscheinung stört: einen Hubschrauber.
Das Gerät scheint kein Spielzeug zu sein, es ist groß wie ein echter Helikopter, zeigt exakt die so oft gesehene, aerodynamisch weiche Form. Mehr noch: Weit ausladend, wie soeben auslaufend, drehen sich seine Rotorblätter.Ein Hubschrauber! Notfall, Unfall, Apocalypse Now. Ein Alarmsignal, dem sich jedoch die Indizien allergrößter Harmlosigkeit beigesellen: Dieser Helikopter ist nur das Bild seines Bildes, ist ein Modell, sorgsam 1:1 aus Holz gebaut.
Da schwebt das fremdartig-wohlvertraute Objekt auf einer kleinen Plattform über dem Wasser und erzeugt diese seltsame Spannung aus Idylle und Gefahr. Ein ironisches Moment gesellt sich hinzu, wenn man bemerkt, dass der Rotor durch eine eifrig sich drehende Kardanwellenkonstruktion mit dem Wasserrad der Mühle verbunden ist – ein skurriler, fruchtbarer Kommentar zur »Falschheit« des Bauernhausensembles am Ufer. Die Kölner Künstler Ulrich Genth und Heike Mutter haben diese Outdoor-Installation geschaffen, sie ist einer der besten Beiträge zur Skulptur- Biennale Münsterland, die in diesem Jahr im Kreis Borken stattfindet und zwischen Gronau im Norden und Reken im Süden 15 künstlerische Projekte unter den weiten westfälischen Himmel stellt.
Seit 1999 existiert die Skulptur-Biennale als Initiative der Kreise im Münsterland, von denen jeweils ein anderer Ausrichter ist.Das Vorhaben ist inspiriert von der alle zehn Jahre stattfindenden »Skulptur. Projekte« in Münster; es bietet bei weitem nicht so erstklassige Werke wie diese, lässt aber manch reizvolle Entdeckung zu. Die beteiligten Künstler, die aus den Niederlanden, aus der Region selbst, aber vor allem aus Berlin und Düsseldorf stammen, beziehen sich stets auf die Eigenart des jeweiligen Ortes; nicht immer sind die Ergebnisse dieser Auseinandersetzung überzeugend, insgesamt aber ist das Niveau beachtlich. Durchweg schlecht aber ist die Beschilderung, die das Auffinden der meist verborgenen stehenden Kunstwerke zu einem Suchspiel macht. Auf die Weise Kirsten Kaisers Skulptur »Wo bist du, Maria?« vor der Stadtlohner Hilgenbergkapelle zu verpassen, ist kein Verlust, da das Werk unbeholfen mit postmodernen Gestaltungsmitteln herumspielt, die der Situation des Ortes in jeder Hinsicht inadäquat sind. Wer durch das Versäumnis der Veranstalter aber Rolf Wickers wandernde »Wanderkapelle« oder gar Stefan Sous’ Installation »Sanssouci« verfehlt, hat wirklich etwas verpasst. Beides sind ironische Kommentare mit starken skulpturalen Qualitäten: So hat der Düsseldorfer Sous das ästhetisch-zivilisatorische Elend eines Campingplatzes zu einem Wohnwagenkonvolut verdichtet und das komisch-kubistische Ergebnis ans Ufer des Pröbstingsees in Borken-Hoxfeld geschoben. Dort steht es als Collage halbierter, ineinander verbissener und verwurschtelter Reisefahrzeuge in herrlicher Schmuddeligkeit in der Uferidylle, und die Rücklichter leuchten lachend in den sich verdunkelnden Abendhimmel. UDE
So gut wie alle Objekte sind auch 2006 noch zu sehen.