Es ist ein Archiv der Erinnerungen, das der niederländische Fotograf Bert Teunissen angelegt hat. Nicht zuletzt auch der Versuch des Wiederfindens, des »Nachstellens« der eigenen Kindheit, ihrer Aromen, Farben und Orte. Darin verpflichtet dem Dichter W.G. Sebald, dem er ein Motto entliehen und als ein ceterum censeo dem Bildband »Domestic Landscapes« beigegeben hat. Teunissens Serie ist Beleg für ein Europa der Eigenarten – ein lebendiges Heimatmuseum. Vom Verschwinden begriffen sind all die Herrgottswinkel, guten Stuben, dunklen Höhlen, Werkstätten, Räucherkammern, Bettsäle, Wohn-, Koch- und Waschküchen. Sie wurden und werden ersetzt durch normierten Komfort mit Fernwärme und sanitärem Standard. Die häuslichen Landschaften indes behaupten Individualität – mithin auch deren Gebrechen. Sie und ihre Bewohner verschaffen sich wechselweise Kenntlichkeit. Meublierte Psyche.
Seit zehn Jahren arbeitet der 1959 geborene Teunissen, der wegen seiner Hell-Dunkel-Atmo-sphären verglichen wird mit Vermeer und dem Genremaler Pieter de Hooch, an seiner Typologie: dokumentarisch nüchtern und ohne Zuhilfenahme von Kunstlicht. Mittlerweile existieren 350 Motive. Etwa ein Sechstel des fotografischen Werks ist erstmals in einem deutschen Museum, im Haus Esters in Krefeld, zu sehen. Menschen, vielfach alte Leute vor allem aus ländlicher Gegend, sitzen für die Kamera wie unter dem Schicksalsspruch ihrer Biografie, vermitteln Stabilität und noch und gerade im Ärmlichen nahezu mythische Verwurzelung. Wohnen und Gewohnheit scheinen einen Ursprungs. Die Umgebung bildet zugleich regionale Speziali-täten aus neun Ländern ab, von der Nordsee bis zur iberischen Halbinsel: das Kreuz über der Essecke in Deutschland, Bett neben Herd im bulgarischen Allzweckzimmer, die gespannte Wäscheleine oder Würste und Schinken unter der Decke, offene Feuerstellen auf gestampftem Lehm. Vorratshaltung und Dingwelt – Tütenlampe, Radioapparat-Kästen, Kaffeegeschirr, Einweckgläser, Schmuckteller, Wachstuchdecke und Blumentopf, Trophäen und Memorabilien auf dem Sims – sprechen ihre eigene Sprache. Wie die Gesichter der Porträtierten, in denen Zeit sich aufhebt. //
Bis 10. Februar 2008; Haus Esters; Katalog,133 Seiten, Kreber Verlag, 30 Euro, www.krefeld.de/kunstmuseen