Es gibt ein Frauenmuseum in Hittisau, Schweiz. Es gibt eines in Meran, und auch Wiesbaden hat eins. Aber das Bonner Haus mit der irgendwie kongenialen Adresse Im Krausfeld 10 ist etwas anderes: ein mit der sprühenden Lebhaftigkeit seiner Direktrice Marianne Pitzen vorangetriebenes Projekt in Permanenz, eine spitze kleine Provokation des Kulturbetriebs, ein Frauenzentrum im Spätfeminismus. Angst vor uncooler Skurrilität und damit verbundenen Peinlichkeiten hat hier keine, am wenigsten Marianne Pitzen, die mit ihrer legendären Biedermeier-Haartracht – zwei schwere aufgetürmte Haar-Ringe, glatter Madonnenscheitel – ausgerechnet die Anmutung einer Epoche hervorruft, in der die ersten weiblichen Emanzipationsversuche abgeschnitten wurden. Aber hier geht es um Individualität. Marianne Pitzen und ihre vielen, meist ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen wollen alle Facetten der Weiblichkeit zulassen in einem geschützten Raum, der Künstlerinnen vorbehalten ist. Der Kampfbegriff, der dem zugrunde liegt, könnte in den letzten 25 Jahren, mit dem wachsenden internationalen Erfolg vieler Künstlerinnen, vielleicht gelitten haben. Aber dass die feinen Mechanismen der Benachteiligung von Frauen im Kunstbetrieb noch keineswegs abgestellt sind, zeigte 1997 die Ausstellung »Ruhm«: Sie gab Auskunft darüber, wie viele (wenig) Werke von Frauen die nordrhein-westfälischen Museen angeschafft hatten. Parallel zu dieser Schau hatte das Frauenmuseum eine Studie in Auftrag gegeben, in der die Ankaufspolitik dieser Museen untersucht wurde: Da fand sich ein Haus, das es in 50 Jahren zu gerade vier Künstlerinnen gebracht hatte; dabei waren zu dieser Zeit schon ein paar mehr Frauen internationaler Bedeutung im Spiel, mit denen man ein gewisses museales Gleichgewicht hätte herstellen können.
Die Kombination Ausstellung plus Studie ist ein typisches Beispiel für die konsequente Interdisziplinarität des Dauerprojekts Frauenmuseum, das 1981 mit der eigentlich vorübergehenden Überlassung eines ehemaligen Kaufhauses an die Künstlerin Marianne Pitzen begann. Die ließ, wie es ihre Art ist, nicht mehr locker und kämpfte der Stadt Bonn diese 3000 Quadratmeter ab – für das erste Frauenmuseum Deutschlands. »Das füllen Sie nie!«, prognostizierte damals eine Grande Dame des Bonner Kunstbetriebs, die offenbar nicht mit Marianne Pitzens riesigen Matronenskulpturen gerechnet hatte, sitzenden weiblichen Ungetümen mit großen mittelalterlichen Hauben. Sie repräsentieren sozusagen den feministischen Ansatz der Matriarchatsforschung, der einen breiten Strang im Themenspektrum des Museums ausmacht. Aber für alle, die Feminismus lieber nicht so organisch-bauchig verstehen, die lieber »Schwestern zur Sonne« singen als die große Göttin anzurufen, ist eben auch gesorgt. Da ist der Gabriele Münter-Preis für Künstlerinnen über 40 – Künstler-Stipendien werden oft nur an unter 35-Jährige vergeben, Mütter haben da erheblich weniger Chancen. Da war, pünktlich zur Kanzlerwahl, die Ausstellung über Angela Merkel in der Karikatur; da war die Ausstellung mit Kunstwerken aus Filtertüten, die gleichzeitig eine Hommage an eine Erfinderin war: Melitta Bentz. Oder das Themenprojekt »Die Bonnerinnen«, nur einer von vielen Beiträgen zur unterdrückten weiblichen Perspektive. Gewiss, es fehlte auch nicht die Büstenhalter-Versteigerung im Rahmen der Aktion »Brust Lust Frust«, die sich mit viel Mut-Wut-und Betroffenheitsrhetorik gegen den Feind Brustkrebs wandte und in postfeministischer Abgeklärtheit den Humor über die Blamage- Grenze trieb. Aber in der Vielfalt der 500 Ausstellungen und zahllosen Veranstaltungen hat alles einen Platz.
2500 Künstlerinnen hatten in den 25 Jahren des Frauenmuseums Gelegenheit, hier auszustellen. Die Werke, die herausragten, bestätigten die Unhaltbarkeit der These von der weiblichen Ästhetik, während weibliche Themen und Perspektiven durchaus auszumachen sind. Das zeigt sich auch in den beiden Jubiläumsausstellungen: »Unsere Besten« sind die Dauerleihgaben bekannter Künstlerinnen, unter ihnen Yoko Ono, Ulrike Rosenbach, Valie Export, Rune Mields, Shirin Neshat. Manche von ihnen, z.B. Tremezza von Brentano, kommen auch in der zweiten Schau vor mit dem Titel »Alles Prophetinnen«, einem Reigen visionärer Blicke auf die Welt. Hier hängen Gemälde und Bilderklärungen, die dem esoterischen Kitsch mehr als nahe sind – das Thema öffnet die Tür für das ganze Repertoire zwischen »sorgenden Frauen«, Tarotkarten und Frauenmystifikationen aller Art –, aber sie hängen ganz friedlich neben gelungenen Installationen wie den silbergesprühten Phantasiewaffen Sylvia Breitwiesers, den kompakten Terrakotta-Figuren Rachel Kohns oder Tremezza von Brentanos Triptychon, das die Beziehung Künstlerin-Galeristin darstellt.
So ist eben das Frauenmuseum: immer noch eine basisdemokratische Einrichtung. //
Jubiläumsausstellungen bis 8. Mai 2006. Tel.: 0228/69 13 44. www.frauenmuseum.de