Ein Fertighaus-Betrieb wird’s nicht werden. So einer findet sich nur, wenn man unter dem Stichwort »Heine Haus« ins Netz geht. Deshalb nennen Rudolf Müller und Selinde Böhm ihr neues Düsseldorfer Bücherdomizil »Literaturhandlung im HeineHaus« – ohne Zwischenabstand: an die 300 Quadratmeter, auf denen im Vorderbereich Bücher verkauft werden und sich als Hinterzimmer ein schöner Vortragsraum mit Café auftut – überwölbt von einer dem Art Déco nachempfundenen Eisenkonstruktion mit gläsernem Spitzdach. In den Sechzigern wurde hier die Mata-Hari-Passage eingeblockt, die im Look der Carnaby-Street Boutiquen um einen von Palmen umwedelten Heine-Brunnen gruppierte. Das war eine Zeitlang hip und schnell ziemlich scheußlich. In Müllers & Böhms Salon bleibt davon ein Sockel aus Ziegeln des historischen Heine-Hauses übrig, auf dem eine Bronze des Dichters thront.
Vor ein paar Jahren sagten die beiden, eine Buchhandlung müsse auch was Abenteuerliches haben. Jetzt haben sie es: den Umzug auf die Bolker Straße 53. Nur eine Ecke weiter, aber die Altstadt lassen sie mit dem Katzensprung nicht mehr links liegen, sondern sind mitten drin im hochprozentigen Feuchtbiotop und seinen Fettecken. Auf die Eröffnung am 17. Februar, Heines 150. Todestag, folgt in den Tagen darauf ein Lesemarathon u.a. mit Peter Bichsel, Wilhelm Genazino, Durs Grünbein und Cees Nooteboom sowie Christian Brückners Lesung von »Deutschland. Ein Wintermärchen«.
Mit »nach Hause gehen« meinte der Jubilar »die Bolkerstraße und das Haus, worin ich geboren bin. Dieses Haus wird einst sehr merkwürdig seyn, und der alten Frau, die es besitzt, habe ich sagen lassen, daß sie bey Leibe das Haus nicht verkaufen solle. Für das ganze Haus bekäme sie jetzt doch kaum so viel wie schon allein das Trinkgeld betragen wird, das einst die grünverschleyerten, vornehmen Engländerinnen dem Dienstmädchen geben, wenn es ihnen die Stube zeigt, worin ich das Licht der Welt erblickt…« Derart selbstbewusst mit wehem Herzen schreibt Heinrich Heine in Caput VI des »Buchs Le Grand«.
Die Historie umfasst mehrere Kapitel – zuletzt das der Kneipe Schnabelewopski, die regional kaum auf sich aufmerksam machte. Eine Gedenktafel erinnerte daran, dass in »Heines Bierakademie« (kein Witz) mal ein anderer Geist geweht hatte. Als die Stadt mit Hilfe der NRW-Stiftung 1990 das schmale Gebäude erwarb, war dies eine beherzte Tat im komplizierten Verhältnis zwischen Heine und Düsseldorf. Da gehen nicht nur Ortsfremde leicht in die Irre. So etwa, wenn man Bolker und Bilker Straße verwechselt. An letzterer liegt das Heine-Institut, das mit dem alt-neuen HeineHaus nichts zu tun hat, auch wenn dortige Heine-Hüter es gern hätten. Übrigens wird gerade ein oberster Statthalter Heines gesucht, der parallel zur Institutsleitung auch auf einen Lehrstuhl der Heine-Universität passen soll. Siehe da, eine weitere verwirrende Heine-Adresse.
Auf der Bolker Straße 53 hat zudem noch der ehemalige Eigentümer Wohnrecht auf Lebenszeit; das Literaturbüro NRW residierte bis vor kurzem auf einer Etage; das Dachgeschoss belegt die Heine-Gesellschaft, die irgendwie mitspricht. So wie der jüngst gegründete »Verein zur Förderung des Heinrich-Heine-Geburtshauses «, der das Management des literarisch-kulinarischen Betriebs mietfrei an Müller & Böhm gibt, die die Buchhandlung hingegen regulär pachten. Eine Public Private Partnership, wie sie Hans-Heinrich Große-Brockhoff entschieden befördert hat. Mittlerweile regiert OB Erwin allein und gibt sich auf dem Schild am HeineHaus als Bauherr des 900.000 Euro-Projekts aus, als sei er die personifizierte Landeshauptstadt – was er selbst wohl so sieht. Da wäre Heinescher Spott angebracht. AWI