Man hält es nicht lange aus in der Zelle: Aggressives Gelb von allen Seiten. Ein kurzer Blick auf das Relief der Schaumstoffwände genügt, schon beginnt alles zu flimmern, zu verschwimmen. Vergeblich sucht das Auge Halt, während dem Ohr die dumpfe Akustik zu schaffen macht. Hier, im »Gelben Raum / Fragment«, formuliert Bogomir Ecker klar und deutlich ein Kernthema seines Schaffens: Immer wieder kreist der Künstler und Kunstprofessor um Formen der Wahrnehmung, um Wahrnehmungsmuster. Auch das Senden und Empfangen, das Produzieren und Konsumieren interessieren ihn von jeher.
Zu Beginn seiner Laufbahn, um 1980, unternahm Ecker nächtliche Streifzüge und versah die Gegend rund um sein Düsseldorfer Atelier mit einfachen Zeichen aus fluoreszierender Farbe. Etwas später, zu Gast in Sofia, klebte er klammheimlich kleine Metallohren an Stromverteilerkästen und Verkehrsbeobachtungsposten. Längst hat Ecker repräsentativere Orte für seine Auftritte gefunden. »Früher oder später landet das Ufo Kunst im Museum «, merkt er an. Zurzeit durchzieht er mit rund 100 Werken das Essener Museum Folkwang. Zwischen Kirchner, Nolde und Chagall, Ikonen der dortigen Sammlung, fällt der Blick auf allerlei kleine Merkwürdigkeiten in löchrigen Vitrinen: Unbekannte Apparate und Antennen, oder jene schwarze Kapuze mit Ohren. Sie erinnert an Eckers originellen Ausstellungsbesuch von 1992. Damals hat er die Mütze selbst benutzt – er zog sie über Kopf und Augen, um sich blind von einer besonders verführerischen Stimme durch die Schau seines Künstlerfreundes Thomas Huber in Utrecht geleiten zu lassen.
Anderswo auf dem Essener Ausstellungsparcours liegt – umgeben von griechischen Gefäßen und deutschrömischen Gemälden – ein überdimensionierter Ring auf dem Fußboden, gleich daneben das aus der Fassung gefallene Edelsteinimitat. Durch seine riesenhafte Vergrößerung erinnert Eckers »Brilli« an Pop Art. Doch bestreitet der Künstler jeglichen Einfluss aus dieser Ecke. Viel inspirierender als Warhol, Rauschenberg oder Oldenburg hätten Gullivers Erlebnisse in Liliput und bei den Riesen gewirkt. »Was mich anregt, ist das Zauberhafte, das Geheimnisvolle, das Märchenhafte.« Dazu passt Jonathan Swifts realistisch-fantastischer Reisebericht des Schiffsarztes Gulliver, der schon in Kindertagen zur Lieblingslektüre des Künstlers zählte. Ecker kam 1950 in Maribor zur Welt, ab 1971 studierte er an den Kunstakademien in Karlsruhe und Düsseldorf. Anschließend ging der Künstler eine Weile nach Paris. Er zeichnete dort in den Gängen der Metro und bestrich Hauswände mit rotem Wachs. In einer mehrstündigen Aktion sägte Ecker unbemerkt ein Stückchen vom Eiffelturm ab und hängte es anschließend an einem dünnen Draht, als eine Art Mobile, wieder in die Konstruktion hinein. Einen Namen machte er sich später vor allem mit seiner funktionstüchtigen »Tropfsteinmaschine«. Sie nahm 1996 in der Galerie der Gegenwart in Hamburgs Kunsthalle ihre Arbeit auf und soll dort 500 Jahre laufen – das hat Ecker mit dem Museum vertraglich vereinbart. In dieser Zeit dürfte der Tropfstein fünf Zentimeter gewachsen sein.
Aufsehen erregten Ecker und sein Kollege Thomas Huber auch mit ihrer Tätigkeit im Düsseldorfer Künstlermuseum. Beauftragt vom Hausherrn Jean-Hubert Martin und unter Protesten vieler Kunsthistoriker erarbeiteten sie dort bis 2001 die Konzeption für eine ganz neue Präsentation der Dauerausstellung. Maßgeblich war nicht, wie üblich, die Chronologie. Huber und Ecker hoben lieber auf zeitübergreifende Zusammenhänge ab. Auch im Museum Folkwang wirkte Ecker nun mit als Ausstellungsmacher. Die Idee des jüngst demissionierten Museumsdirektors Hubertus Gassner sei es gewesen, dass er mit seinen Werken überall in die ständige Sammlung hineingehe. Doch das erschien ihm anmaßend. Ecker nimmt den Dialog mit großen Vorgängern nur an einzelnen Orten auf, häufiger aber stehen seine Stücke für sich.
Sie führen weit zurück bis zu den anarchischen Anfängen: Als die Straße für den Künstler zum Atelier wurde. Er arbeitete ausschließlich bei Nacht – mit Taschenlampen leuchtete er Regenrinnen an, Gullys, verlassene Straßen und Industriebrachen waren weitere Schauplätze seiner Interventionen. Die Essener Ausstellung zeigt eine Reihe der damals fotografierten »Nachtstücke«.
»Das Abseitige reizte mich schon immer«, sagt Ecker. Nie habe er die Hauptstraße gesucht, nie die Belle Etage angestrebt. Trotzdem fühlt er sich jetzt offenbar sehr wohl beim musealen Großauftritt. Man könne schließlich nicht alle Tage »spontan und subversiv« sein, so sein Kommentar. Wirkungsvoll füllt Ecker die Essener Säle – etwa mit dem eigens für die Schau gebauten »Stimmen-Turbator«. Das ist ein rätselhaftes schwarzes Schaumstoffkonstrukt, zwischen Haus und monströser Maschine. »Man ist nie allein«, diesen Beinamen gibt Ecker dem Werk und regt damit den Untertitel der Essener Ausstellung an.
Vorbilder für solche Erfindungen sucht er nicht selten in Aufnahmen alter Industrieanlagen, er hat eine ganze Sammlung davon angelegt. Auch ausgewählte Zeitungsseiten bewahrt er auf, wenn ihn die »Bildinformation« anspricht. Mit Hammerschlaglack bearbeitete Auszüge aus Eckers Zeitungsarchiv vermitteln in Essen eine, wenn auch undeutliche, Vorstellung von der Genese der phantastischen Objekte, Geräte und Räume, die er präsentiert. Sie geben vage Hinweise auf die Basis seiner eigenartigen Bildwelt – mehr aber auch nicht.
»Ich will die Dinge nicht festzurren«, sagt er. Das heißt aber nicht, dass seine Kästen mit Loch, die Apparat-Attrappen und Kapuzen-Konstrukte, die verdrahteten Geräte und schaumstoffverkleideten Gehäuse, die Trichter und Turbinen, Marionetten und Maschinen nur für sich stehen. Nein, Ecker will mit ihnen quasi grenzenlose Assoziationsketten auslösen, und er leistet gerne Hilfestellung beim Spekulieren. »Das Deuten abschalten und einfach fallen lassen«, diese Gebrauchsanweisung gibt er dem Rezipienten mit auf den Ausstellungsrundgang. »Man soll nur schauen und versuchen, die Spielanordnung zu erkennen. « //
Bis 16. April. Tel.: 0201/88 45-314; www.museum-folkwang.de