»Wer hier die Augen aufschlägt, sucht in allem den Tod«, schrieb 1998 Wolf Wondraschek über das filmische Werk von Werner Schroeter, dessen Ästhetik sich in seinen Bühnenarbeiten fortschreibt zu einem Theater in Trance. Die Angstpassion für den Tod und die Liebe entkräften bei Schroeter alles andere. Mit der Hommage für Heine und Schumann, inszeniert parallel zur Ausstellung in der Kunsthalle und bei diesem Regisseur naturgemäß in die Schwarze Romantik changierend, kehrt er zurück zu seinem Ureigensten: den wenig narrativen, mehr assoziativen frühen Film-Collagen und poetologischen Assoziationsketten. Die Montage aus Klangskulptur, Kreisleriana, dem Bläsersignal aus dem Finale der »Neunten«, Deutschlandlied und Marseillaise, Bellini-Arie, Isoldes Liebestod und Schönbergs »Erwartung« mit der utopischen Zeile »Das Licht wird für alle kommen« erschafft einen permanent verwischenden Resonanzraum, der sich inhaltlich in ein Spiegelkabinett verwandelt. In ihm treffen aufeinander Gegenmodelle wie der Fichtenbaum und die Palme, christliche und antike Statuen, das Brüderpaar Schlaf und Tod und andere Kürzel der Schroeter-Geheimschrift.
So wird Biografie ein Spiel in Bildern, Klängen, Gebärden. Auch in Worten, aber die sind nahezu nebensächlich. Prima la musica. Wo die Sprache aufhört, beginnt die Musik, hat seine Muse Maria Callas einmal zitiert – für Schroeter ein Leitmotiv. Worüber man nicht sprechen kann, darüber kann man singen: die immer offene Wunde Sehnsucht. Auch Heine und Schumann als Doppelgänger von Schroeters Obsessionen gehören »zum Stamme jener Asra, die sterben, wenn sie lieben« (Heine). Eine Sprache der Liebe bleibt ohnehin Fragment. Und dem gemäß der Mischzustand des stimmen- und figurenreichen Abends – mit dem Pianisten und Co-Autor Roland Techet, mit Kinderchor, Musikern, der Tänzerin Alexandra Kunz, den Schauspielern Oleg Zhukov und Alexis Bug sowie der wunderbaren Sängerin Julia Kamenik – eine einzig große Auflösungserscheinung.
Nur Anklänge, Nachklänge, Ausklänge, wenn etwa Schumanns/Kerners »Stille Tränen«, endend mit »Stets fröhlich sei sein Herz«, vorgetragen wird als anklagendes, buchstäblich bestürzendes Gefühlsdrama. Zumeist aber ist die Aufführung weniger ekstatisch als implodierend.»Von Hertzen möge es wieder zu Hertzen gehen« hat Beethoven seine »Missa solemnis« überschrieben. Werner Schroeter würde diesen Satz abzeichnen. AWI
Zahlreiche Termine im April und Mai 2006; auch für Schulklassen.