Vier Türen vor weiß verputzter Wand; dahinter, in den Öffnungen zu den anderen Zimmern, nichts als Schwärze. Mythologisches Dunkel, das am Ende die scheinbar helle, unheimlich ungemütliche Realität des Vordergrunds aufgesaugt haben wird. Roland Schimmelpfennigs »Frau von früher«, eine Variation mit Medea-Material, in der nach 24 Jahren Romy Vogtländer vor Franks Wohnung steht, um das Liebesversprechen des längst verheirateten Mannes und Vaters eines Sohnes einzuholen, beginnt als Komödie und endet tragisch. Beide Spielformen müssen sichtbar sein. Dieses Doppel gelingt Jürgen Gosch am Kölner Schauspielhaus – viel besser als der Wiener Uraufführung 2004.
Die Frage, wie lange Liebe ihren Anspruch bewahren kann und muss, spiegelt das Stück in drei Paaren: den Eheleuten Frank (Markus John) und Claudia (Sandra Fehmer), die ihren Umzug vorbereiten, ihrem Sohn Andi (Christian Beermann) und seiner Freundin Tina (Agnes Mann) und in Romy Vogtländer und ihrem Liebeswahn. Andi und Tina spielen vor (und nach), was die Älteren damals getan und einander gesagt haben – den anderen nie zu vergessen. Also wird der Sohn die Schuld des Vaters sühnen, weil er als Mann ebenso verräterisch handelt.
Gosch lässt das komplizierte und raffinierte Drama, das der Autor in der szenischen Zeit- und Reihenfolge ständig vor und zurück springen und sich zum Vorher-Nachher verwirren lässt, sehr reell, übersatt an Leben, wuchtig, physisch, verschwitzt und in ruppiger Nacktheit ausspielen. Bis es Kleist’sche Intensität erreicht, was besonders Anja Laïs in der Titelrolle zu danken ist. Er legt die Mechanik offen und bedient sie im selben Moment perfekt. Demonstrativ präpariert er das Theaterhafte heraus, betont Pausen, dehnt den Rhythmus, stellt die Methode der manipulierten, künstlich gestalteten Zeit zur Schau, wenn das Ensemble ständig mit Umzugskartons hantiert und wuchtet. Wie so oft beschäftigt Gosch die Dekonstruktion von Illusion. Zugleich aber geht er in die Vollen, wenn er, nachdem Romy ihre Rache vollendet hat und abtritt, mit einem Slow-motion-Slapstick die Bühne dem tragischen Bewusstsein überlässt. Emotional heftig und überhaupt nicht moderat, ist das Stück zur Kenntlichkeit gebracht. AWI