Wenn Jürgen Gosch demnächst seinen dritten oder vierten »Sommernachtstraum« inszeniert, will er auch herausfinden, ob die Handwerker vielleicht die Elfen sind. Tom Kühnel hat in Aachen zum Spielzeitauftakt entdeckt, dass die Liebespaare Hermia und Lysander, Helena und Demetrius die Handwerker sein können und Zettel der Regisseur ihrer Herzensdinge. In einer radikal verschlankten Spielhandlung, die durch die Kombination mit Purcells »Fairy Queen« wieder Gewicht ansetzt und fast dreieinhalb Stunden auf die Zeitwaage wirft, lässt Kühnel die Puppen tanzen und das Theater um sich selbst kreisen. Denn der erotische Wirbel des Athener Jungvolks findet hier auf der Bühne statt: der Probebühne. Das alte selbstreflexive Spiel also, aber frisch gewagt, gewitzt und mit running gags als Volte gegen das die Schauspieler um Sinn und Verstand bringende Regietheater, seine Macken und Marotten bespöttelt. In dem Moment, da der Regie- Zettel (Markus Haase) zum Esel mutiert (der er vorher schon war), kann das Darsteller-Quartett sich endlich frei spielen, fühlen, lieben, hassen und toben. Der Liebeswahn findet zudem unter Sigmund Freuds Augen und auf dessen Analyse-Diwan statt. Lehrjahre auf der Regie-Couch, die zum Albdruck werden wie auf Füsslis Nachtmahr- Gemälde. Dazwischen treibt Purcells barock-allegorische Feenwelt ihr unabhängiges Wesen, das sich als glitzernder Revue-Frou-Frou selbstironisch ausstellt. Und das bei musikalischer Delikatesse unter Jonathan Cohens Leitung, der das städtische Sinfonieorchester gastweise dirigiert.
Kühnels Spezialität ist das Miteinander von Mensch und Handpuppe. Die Hutzelmännchen übernehmen die Rolle des Puck in knautschiger Stan-Laurel-Maske, des schrumpeligen Buhlknaben und Zankapfels von Titania und Oberon und des (dramaturgisch nicht unbedingt nötigen) Wiener Seelendoktors: und führen ein frappierendes Eigenleben (garantiert von Suse Wächter/Julia Brettschneider). Die Parallelwelten von Shakespeare und Purcell finden im Finale schön zusammen, wenn der Regie-Zettel, jetzt ein Popanz der Omnipotenz, sich in kreativen Geburtswehen nur eine ziemliche Kleinigkeit abpresst. Was man von Aachens überaus gelungenem Saisonstart nicht behaupten kann. AWI