Der »geheime Wunsch, ein halb imaginäres, halb reales Ganzes entstehen zu lassen« stehe hinter dem »Rosenkavalier«, ließ der Librettist wissen. Natürlich war jenes Wien von 1740, das Hofmannsthal und Strauss gemeinsam ersannen, ein Konstrukt aus verklärter Geschichte, Erinnerung, Ersehntem und der Realität des beginnenden 20. Jahrhunderts– und war bei aller Künstlichkeit angewiesen auf Atmosphäre und Sinnlichkeit, und sei es in der morbiden Variante. In Bonn verlegt Cesare Lievi die Handlung ins Italien der vergangenen 50er Jahre und nimmt sich Fellinis »La dolce vita« zum Vorbild. Sagt und schreibt der Regisseur jedenfalls. Indes bleibt es bei der Behauptung dieser Zuschreibungen. Csaba Antáls Bühnenbilder reihen Unschönes aneinander: ein stilistisch zwischen Rokoko und moderner Hotelsuite siedelndes Hochglanz-Schlafzimmer im ersten Akt; danach riesige Mehlsacktürme im Hause Faninal (der sein neureiches Vermögen folglich in der Getreideverarbeitung erwirtschaftete); im dritten Akt ein schäbiger Puff, verhängt mit roten Paillettenvorhängen der Siebziger. Am Schluss bleibt nur die leere Spielfläche übrig, die sich als riesige Uhr entpuppt, deren Zeiger sich von dem reizenden Mohren, der sonst fürs liegen gebliebene Taschentuch zuständig ist, partout nicht zurückdrehen lassen. Schau einer an!
Die Regie legt Baron Ochs auf den Mafioso fest, der schlecht gelaunt nölt (und mit Guido Jentjens eine Fehlbesetzung ist). Nancy Weißbach dagegen erweist sich als Idealbesetzung der Marschallin, die große Momente hat und den Abend rettet, ja, ihn sich ganz aneignet. Der künstlerische Abstand zum übrigen Ensemble fällt da schmerzend auf: Die eingesprungene Anjara I. Bartz als Octavian ist der Rolle nicht gewachsen; Anna Virovlanskys allzu hell timbrierte Sophie flackert in einiger Überforderung; Mark Morouse ist ein solider Faninal. Erich Wächter am Pult steuert sicher durch stürmische Gewässer, das Orchester scheint jedoch matt aufgelegt, was den glanzlosen Gesamteindruck mit dem einen einsamen Lichtblick noch betont. REM