Man nannte ihn posthum den »schwedischen Mozart«, doch hat der aus dem Spessart stammende Joseph Martin Kraus mit dem Salzburger wenig mehr gemein als die annähernd gleichen Lebensdaten. Wie Mozart 1756 geboren, überlebte Kraus ihn um ein knappes Jahr, als er 1792 verstarb. Er war ein musikalischer Spätzünder und hinterließ ein schmales Œuvre mit immerhin drei Opern. Deren erste schrieb Kraus 1781 nach einer Handlung, die der später selbst zum Opernstoff geadelte Gustav III. verfasst hatte. Der musische König wurde 1792 auf einem Maskenball gemeuchelt, Kraus soll Zeuge des Attentats gewesen sein, Verdi machte daraus seinen »Maskenball«, aber das ist eine andere Geschichte.
Der Komponist Kraus trug zwei Seelen in seiner Brust: Einerseits verehrte er Gluck und dessen gravitätische Würde; zugleich eiferte er dem Sturm und Drang der Mannheimer Schule nach. Kraus’ Tonsprache ist unkonventionell, überraschend, reich an Affekten und kecken Wendungen, schert sich wenig um Regeln und sprengt den klassischen Opernablauf durch exzessive Verwendung von Accompagnato-Rezitativen und der Vermeidung der üblichen dacapo-Arien. Dadurch ist ständig Bewegung im musikalischen Geschehen, verstärkt zudem durch originelle Harmonik.
Die Sache lohnt also, die als Produktion der Schwetzinger Festspiele in veränderter Besetzung in NRW ankam und dort Station in Remscheid, Solingen und Wuppertal macht.
Der sehr junge, sehr agile Evan Christ bringt nach kratzigem Beginn die Bergischen Symphoniker alsbald auf federnd gelenkigen Trab und spornt zu schlankem Schönklang an. Mit Sinn für die launische Musik trägt er den Abend flott voran, dessen Temperament auf der Bühne in edlen Bildern allerdings eher herunterfährt. Regisseur Georges Delnon setzt in schlichter Schwarzweiß-Dramaturgie auf Stilisierung und statische Bilder. Bewusster Kontrapunkt zur drängenden Musik, ohne dass jedoch durch die Verdichtung triftige Binnenspannung erzielt würde. Die mythologische Handlung um die von Pluto entführte Proserpina, worauf Mutter Ceres das Leben auf der Erde verdorren lässt, bevor Jupiter sich salomonisch einschaltet und die Jahreszeitenregelung erfindet, werden als szenische Tableaus mit gediegenem Geschmack geordnet. Der kühle Bühnenraum, der ein reizvolles Spiel mit variablen Wandelementen treibt, dient der weiteren Abstraktion. Man sieht ästhetisch gelungene Bilder, die Sänger (allesamt zu loben, vor allem Elisabeth Scholl als Ceres) bieten ritualisierte Gesten und eingefrorene Haltungen. Es stürmt und drängt gar wenig. REM