Der Anfang – ein Schock: Ein großes schwarzes Loch klafft zwischen den wuchtig heraus geschleuderten ersten Akkordblöcken der Ouvertüre. Samuel Bächli erfindet eine Generalpause, die bei Mozart nicht steht, und gibt damit dem Abend innerhalb von vier Takten eine dramatische Fallhöhe vor, die eine allzu gewagte Behauptung bleibt.
Der Gelsenkirchener GMD zeigt sich zunächst einer aufgerauten, historisch informierten Lesart verpflichtet, verliert aber des weiteren deutlich an Präzision und kriegt die Mozart-Fäden mitunter nicht sortiert. Was bleibt, ist der Eindruck des Fahrigen; zu oft verpuffen Mozarts Sprengsätze wie Nebelkerzen, statt gen Himmel aufzusteigen. Eine überraschende Formschwäche, zumal Bächli schon manches Opernmonster souverän domestiziert hat. Womöglich hat sich auch die Indifferenz der Regie (Rosamund Gilmore) wie Mehltau über die Produktion gelegt, die gediegenes Mittelmaß nicht übersteigt. Doppelt bedauerlich, hätte man doch dem Haus, das in den (Neben)-Fächern »Rarität« und »Belcanto-Entdeckung« Außergewöhnliches leistet, auch für die Mozart-Königsdisziplin gewünscht, an dieses Niveau aufzuschließen.
Dabei weckt das Bühnenbild (Carl Friedrich Oberle) Interesse: eine abstrakte, in Orange gehaltene Architektur, die weder Außen- noch Innenräume andeutet, sondern in ihren geschwungenen Linien an Essens Aalto-Theater und die Düsseldorfer Kunstsammlung erinnert. Ein Raum zeitloser Abstraktion, der sich in denen ebenfalls von Oberle kreierten Kostümen jedoch nicht fortsetzt. Von Rokoko bis Biedermeier reicht der Stil der Roben, ohne produktive Reibung herstellen zu können.
Das zentrale Problem der Inszenierung ist die mangelnde Typen- und Charakterzeichnung. Auch sängerisch bleibt es vielfach blass, bis auf das Männerduo: Leporello (Joachim Gabriel Maaß) ist Don Giovannis gelehriger Schüler und begabt mit Raffinesse und Bosheit; sein Augenmerk gilt vor allem den Weibern, er nimmt, was vom Bett des Herrn abfällt und assistiert kundig selbst beim Mord am Komtur. Der Freigeist selbst kommt sehr jugendlich daher, mit blasser, zarter Unschuldsmiene, und wirkt wie ein zu kühl gelagerter Romeo. Günter Papendell, der zunehmend an Präsenz gewinnt, steigert sich bis zum furios gesungenen Finale auch stimmlich. Szenisch jedoch wird der Showdown verschenkt. Der Racheauftritt des Komturs (Nicolai Karnlosky) verläppert im privaten Streit mit dem angetrunkenen Giovanni, dessen Höllenfahrt banal endet: Kein Sturz ins Bodenlose. Nur eine Rutschpartie. REM